Am 15. Mai 1955 wurde der Staatsvertrag im Schloss Belvedere unterzeichnet. Die Entstehung eines offiziellen Gemäldes über den Staatsakt und nähere Umstände dazu, zählen wohl zu den kuriosesten Staatspossen, die sich in der Zweiten Republik ereigneten.

Das Werk wurde überhaupt erst nach der Unterzeichnung in Auftrag gegeben. Als nachträglicher Maler des Ereignisses wurde von der Bundesregierung unter Kanzler Julius Raab (ÖVP) der Professor für Porträtmalerei an der Wiener Akademie der Bildenenden Künste ausgewählt: Sergius Pauser (1896 bis 1970) war ein von der Nazizeit "unbelasteter" Künstler. 1937 hatte sogar Adolf Hitler persönlich verfügt, Pausers Werke bei einer Ausstellung im Deutschen Haus der Kunst in München abzuhängen mussten. Sie erinnerten den Diktator zu sehr an die von ihm verfolgte moderne, "entartete Kunst".

Sergius Pausers Bild von der Staatsvertragsunterzeichnung ist zur Zeit im Wiener Belvedere ausgestellt. - © Artothek des Bundes
Sergius Pausers Bild von der Staatsvertragsunterzeichnung ist zur Zeit im Wiener Belvedere ausgestellt. - © Artothek des Bundes

Zu modern war Pauser 1955 schließlich auch dem Kanzler. Seine vorgelegten Bilder in Öl über den Staatsakt im Belvedere wurden von Raab brüsk abgelehnt. Sie zeigten keine Gesichter und schienen ihm zu abstrakt. Das Kunstwerk mit schemenhafter, impressionistischer Darstellung schockierte. Es wurde mit 12.000 Schilling abgegolten und in ein Bildungsheim verräumt.

Nun schlug die Stunde konservativer Bürokraten im Bundeskanzleramt, die ganz nach dem Geschmack des Kanzlers ein konventionelles Gemälde produzieren ließen. Für 120.000 Schilling erhielt den Folgeauftrag Raabs "Leibmaler" (Zitat: "Wochenpresse" 1961) Robert Fuchs (1896 bis 1981). Dieser war nicht ganz so politisch unbelastet. Der Präsidialchef des Kanzleramtes als formeller Auftraggeber sorgte gleich mit dafür, dass auch die Bild-Wahrheit zurechtgebogen wurde. Sich selbst ließ der Beamte ins Zentrum hinter Leopold Figl hineinmalen, Dort prangt nun sein Konterfei. Dabei war er nicht einmal dort. Auf dem Bild sieht man nun ausschließlich rund 80 in dunklen Anzügen abgebildete Männer. Alle zur Freude von Bürokratenherzen streng nach protokollarischem Rang geordnet. Auch davon waren einige ebenfalls in Wahrheit gar nicht dabei.

Dafür wurden Schlüsselpersonen der Zeremonie im Fuchs-Bild vom Zentrum an den Rand gedrängt (siehe Bild oben). Schließlich konnte der Sektionschef bei bestem Willen nicht ahnen, dass der an seiner Stelle verdrängte Rudolf Kirchschläger später einmal Bundespräsident werden sollte und auch noch Zeugenschaft über die ganze peinliche Sache ablegen konnte.

Das Staatsvertragsgemälde von Robert Fuchs wurde so zum Spiegel der Klischees und der gesellschaftlichen Realität des Österreich der 1950er. Und es prangte lange für Besucher sichtbar im Marmorecksalon des Ballhausplatzes. Dann ließ es der nun amtierende Kanzler der neuen Politik und des neuen Stils und Outfits aus diesem Blickfeld räumen.

Der Autor Georg Markus wusste 2015 im "Kurier" zu berichten, Bruno Kreisky, SPÖ-Kanzler von 1970 bis 1983, habe angesichts des Bildes im Kanzleramt einmal gesagt: "Auf dem Schinken bin ich auch drauf." Das wurde dem Maler Fuchs zugetragen, der sich sehr beleidigt zeigte. Da schrieb ihm Kreisky einen Brief: "Nichts lag mir ferner, als Sie herabzusetzen. Sie beschweren sich über den von mir verwendeten Begriff Schinken. In Meyers Konversationslexikon ist klar definiert, dass man darunter ein Kolossalgemälde versteht." Worauf der geknickte Maler laut Georg Markus erwiderte: "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sie beschämen mich in meiner Unbildung. In tiefer Verehrung Ihr Robert Fuchs."