Der historisch versierte Leser Gerald Netzl hat vergangenen Samstag als Erster einen dummen Fehler in dieser Kolumne moniert: Am Ballhausplatz steht seit 2014 nämlich das "Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz" oder kurz "Deserteurdenkmal" genannt. Von ihrem zerknirschten Autor ist so mit gebotener Entschuldigung festzuhalten, dass dort nicht verfolgter Homosexueller gedacht wird. Deren Gedenkstätte ist erst beim Resselpark angedacht und hat noch lange nicht das Licht der Wiener Welt erblickt.

Am Ballhausplatz war ursprünglich 1934 ein Denkmal für den ermordeten Kanzlerdiktator Engelbert Dollfuß geplant. An der extra abgetrennten Ecke des grünen Volksgartens hatte der Stararchitekt des austrofaschistischen Ständestaates, Clemens Holzmeister, ein Mahnmal zu konzipieren begonnen. Die Grube war bald ausgehoben, doch dann kamen 1938 die Nationalsozialisten nach Österreich und beendeten sofort das Projekt. Später wurde die Grube auch wieder zugeschüttet. Lange befanden sich dann wenige, aber heiß begehrte Parkplätze an der Stelle zwischen Kanzleramt und Präsidentschaftskanzlei. Die mussten schließlich 2014 gänzlich dem Deserteurdenkmal weichen. Dem ging ein zwölf Jahre langer Kampf dafür voran. An vorderster Stelle hatte sich Richard Wadani (1922 bis 1920) dafür engagiert. Der überzeugte Österreicher war 1944 als Deserteur an der Westfront zu den Alliierten übergelaufen. Er ist so an der Zusatztafel zum Denkmal verewigt: "Die Deutsche Wehrmacht war für uns eine fremde Armee. Nur wer gegen sie gekämpft hat, kämpfte für die Befreiung Österreichs."

Als Wadani sich nach der Rückkehr in Wien in britischer Uniform beim Arbeitsamt meldete, wurde er von Beamten als "Verräter" und "Feigling" angeschnauzt. Also setzte sich der "Fahnenflüchtige" fortan die Rehabilitierung der Deserteure und ein Umdenken über ihre Rolle auf seine Fahnen. Zunächst engagierte er sich bei der KPÖ, mit der er aber 1968 nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" komplett brach.

Wadani war auch erfolgreicher Bundestrainer und Bundeskapitän des Österreichschen Volleyball-Verbandes. 2002 engagierte er sich im "Personenkomitees Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz" mit dem Politwissenschafter Thomas Geldmacher an der Spitze. Dieses forderte eine Rehabilitierung der Deserteure und ein Denkmal für sie. Motoren dafür wurden die Grünen mit den Abgeordneten Terezija Stoisits, Martin Wabl, Albert Steinhauser und anderen. Auf SP-Seite engagierte sich vor allem die verstorbene Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. 2009 war die gesetzliche Rehabilitierung vollzogen.

2010 setzte die erste rot-grüne Stadtregierung den Denkmalbau in ihr Regierungsprogramm. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, heute Rektor der Musik- und Kunst-Uni, setzte nach einigem Hin und Her das Projekt "am Wunschplatz des Komitees", dem Ballhausplatz, um. Nach einem geladenen Wettbewerb erhielt der Deutsche Olaf Nicolai den Auftrag: Am Plateau seines liegenden "X" findet sich einem Text des schottischen Dichters Ian Hamilton Finlay (1925-2006). Ein Freund H.C. Artmanns, der ebenfalls von der Wehrmacht desertiert war. "Wer desertiert ist, sollte heute als Held betrachtet werden und nicht als Feigling." Dieser Spruch von Dietmar Schönherr (1926-2014) findet sich ebenfalls auf einer Zusatztafel. Auch er war einst Deserteur.