Bestellung eines Besuchers in einem Wiener Kaffeehaus: "Ein Soda Zitron, bitte." Darauf der Ober: "Heast, Oida, trink wos G’scheit’s oder schleich di!"
Rafael Bettschart (Jg. 1989), hat diese Geschichte tatsächlich selbst erlebt. Solche und ähnliche Anekdoten und Erfahrungen mit dem sprichwörtlichen "Goldenen Wiener Herz" hat der Agentur-Texter und Creativ Director, Filmemacher und Autor nun in Buchform gesammelt. Sie sind unter dem Titel "Wiener Blut", im Kampenwand Verlag erschienen.
Bettschart, leidenschaftlicher Wiener, wollte in seiner "Ode an die Unfreundlichkeit" in der Donaumetropole den Wiener "Grant" hinterfragen und dokumentieren. Weiteres Beispiel aus seinem Fundus: Ein Ober macht in einem Innenstadtlokal keine Anstalten, ein deutsches Touristenpaar zu bedienen. Als er wiederholt vorbei geht, sagt der Deutsche zaghaft und genervt: "Hallo!?" Darauf der Ober: "Sie san do net in aner Telefonzell’n! Was woin S’?"
Die Idee zum Buch hatte Bettschart nach vielen Rankings, die Wien vor Corona zu einer der lebenswertesten Städte erhoben. Englischsprachige Expats konterten darauf in ihren Publikationen mit Berichten über Wiener Unfreundlichkeiten.
Kommunikationsmann Bettschart versucht nun in seiner Analyse des Wiener Bluts, den heimischen "Schmäh" auch für Expats zu entschlüsseln: "Da gibt es ein Missverständnis. Dem Wiener Grantler musst Du nur auf Augenhöhe begegnen und er akzeptiert dich. Wo er Arroganz zu spüren glaubt, beißt er aber hin."
Eine Erfahrung, die auch ein anderes deutsches Paar im Kaffeehaus machen musste: Nach überlangem Studium der Kaffeekarte meint "Sie" zum Ober: "Ein guten deutschen Kaffee bitte!" Darauf der Kellner lakonisch: "So was gibt’s ah in ganz Deitschland net." Aber auch Einheimische können leicht Opfer aufwallenden Wiener Bluts eines Kellners werden, wie Bettschart beobachten konnte: An einem Herbstnachmittag spricht eine Dame in Penzing den Ober in nasalen Schönbrunner Deutsch auf der Suche nach einem Platz im Gastgarten an: "Wo ist den hier der wärmste Platz?" Darauf der Kellner supertrocken: "Na, drin." Breiten Raum nehmen im Buch auch so manche Wiener Eigenheiten ein. Dem "Schimpfen" mitsamt Kraftausdrücken des "Wienerischen" ist auch ein eigener Abschnitt gewidmet. "Gfrastsackl", "Fetzenschedl" und "Bruntzgsicht" plus entsprechenden Erklärungen der sozioökonomischen Hintergründe werden einfühlsam dargestellt und in dieser Übersicht der Funktionsweisen des "Goldenen Wiener Herzens" fast wissenschaftlich abgearbeitet.
Lebensweisheiten und angewandte Lebenshilfe in der Bundeshauptstadt kommen bei diesem Führer durch den kulturellen Alltag nicht zu kurz. Ein praktischer, zitierter Ratschlag aus dem Volksmund lautet etwa: "Sollten auch Sie der Meinung sein, dass Wien zu Ihnen unfreundlich sei, dann gehen’s bitte scheißen!"
Erlebte Geschichte bleibt aber das packendste und zentrale Element der Aufzeichnungen des Rafael Bettschart über das wallende "Wiener Blut". Dem soll zum Abschluss und zur Illustration daher nochmals etwas von ihm tatsächlich Erlebtes aus dem Herzen Wiens beitragen. Szene beim Essen in der Stadt: Der Kellner kommt, um abzuservieren. Ober zu den werten Gästen: "Hot ’s g’schmeckt, den Herren?" Gast: "Also, ich habe schon einmal besser gegessen." Darauf der Kellner: "Jo, oba net bei uns!"