"I bin’s, der Präsident. I moch doch kane Schmäh. Schau nach, schau durch des Guckerl." Der dies vor 50 Jahren sagte, war Wiens Polizeipräsident Josef "Joschi" Holaubek (1907-1999). Der Satz machte den ohnehin populären Oberpolizisten unsterblich.
Der Adressat war ein gewisser Walter Schubirsch. Er hatte sich im November 1971 nach einem Gefängnisausbruch aus der Anstalt Stein in einer Wiener Wohnung verschanzt. Der Fall hielt damals das ganze Land in Atem.
Ausbrecher Schubirsch tat damals am 6. November 1971, wie ihm von oberster Polizeispitze geheißen: Er blickte durchs "Guckerl" der Eingangstür, sah den völlig unbewaffneten Polizeipräsidenten alleine vor sich. Der hatte ganz einfach angeläutet. Da kapitulierte der Ausbrecher vollkommen verblüfft und bedingungslos. Er öffnete die Tür und ging richtig brav mit dem Polizeichef mit.
Schubirsch tat gut daran und traf die richtige Entscheidung für sein Leben. Er blieb nicht nur körperlich heil, sondern das Ereignis markiert den Beginn einer echten Läuterung. Zunächst ging es wie auch bei den beiden anderen wieder erwischten Komplizen ab ins Gefängnis. Während die anderen ihre kriminelle Karriere auch später fortsetzten, wurde Schubirsch zum Musterhäftling. "Sein Präsident", der immer schon als herzensguter Mensch galt, hielt "im Häf’n" ein Auge auf ihn. Er besucht ihn sogar. Einer der damaligen Bewacher beschreibt Schubirsch heute als "immer ruhig und zuvorkommend." Der bekannte Rechtsanwalt Nikolaus Lehner begegnete Schubirsch einmal zufällig im Wiener Justizcafé und erzählt der "Wiener Zeitung": "Er wirkte als vollkommen harmonischer Mensch. Ich konnte damals gar nicht verstehen, dass man um seine Person einmal so viel Aufhebens gemacht hatte."
In der Häftlingsband "Hell Dogs" mit Hansi Lang spielte Schubirsch Schlagzeug, als man gemeinsam durch die Haftanstalten tourte. Und er erlernte den Beruf eines Buchbinders. Jedenfalls ging Schubirsch 1982 vorzeitig frei. Nie wieder sollte er negativ mit der Justiz in Berührung kommen. Holaubek hatte sich gleich um einen Job gekümmert. Der frühere Kardinal König (1905-2004) dürfte auch dabei Finger im Spiel gehabt haben. Schubirsch soll eine Zeit lang in einem Kloster gearbeitet haben.
Holaubek und Schubirsch trafen sich regelmäßig im "Café Prückl". Einmal war der Journalist und Meister der Anekdote, Georg Markus, dabei, als sich der Exhäftling bedankte: Für jeden anderen, so Schubirsch, "wäre die Geschichte mit der Verhaftung zu Ende gewesen. Nicht aber für Sie, Herr Holaubek. Wer macht das schon, dass er einen Verbrecher im Häf’n besucht, Kaffee bringt und a Geld schenkt. Die Briefe, die Sie mir damals schrieben, waren die größte moralische Hilfe."
In Markus’ Buch "Unter uns gesagt" (Amalthea 2008) ist beschrieben, wie der Ex-Häftling einen Tresor in die Wohnungswand des Autors einmauerte: "I stell nie wieder was an", sagte Schubirsch, holte ein Foto aus der Tasche und sagte zu Markus: "Des is mei Tochter. I könnt kan Tag leben ohne sie. Des is der Grund, warum i nie wieder in Häf’n geh."
Am 21. März 2021 ist Walter Schubirsch im 72. Lebensjahr nach schwerer Krankheit verstorben. Die Familie, der "seine liebevolle Sorge galt", begleitete ihn.