Es gibt Anrainer, denen das Landstraßer Café am Heumarkt 17 mit seinen abgesessenen roten Ledersitzbänken zu heruntergekommen ist. Hier hat man an der Einrichtung seit den 1950er Jahren des vorigen Jahrhunderts kaum etwas geändert. Viele Stammgäste vor allem auch aus der Kulturszene lieben aber geradezu diese Patina. Für sie macht genau das den Charme "ihres" Lokals aus.

Ausblick auf das Hotel, das bald einem Neubau weichen soll. - © Paul Vécsei
Ausblick auf das Hotel, das bald einem Neubau weichen soll. - © Paul Vécsei

Von außen ist das Café gar nicht gleich zu erkennen. Es fügt sich unprätentiös in das Gründerzeithaus Ecke Heumarkt/Johannes- und Salesianergasse ein. Seit wann hier ein Café existiert, lässt sich nicht mehr so leicht feststellen. Aber für seine Fans gibt es das Café gefühlt ohnehin schon mindestens seit dem Urknall, als die irdische Zeit begann.

Im Café am Heumarkt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Das Lokal wurde seit den 1950ern nicht verändert. - © Paul Vécsei
Im Café am Heumarkt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Das Lokal wurde seit den 1950ern nicht verändert. - © Paul Vécsei

Wirklich überliefert ist hingegen die Errichtung des Häuserblocks um 1856. Aus dem Jahr 1900 existiert eine Ansichtskarte, die schon ein Café Josef Roth zeigt. Davor stehen auf dem Heumarktbild auf einem Standplatz die Pferdedroschken, die als frühe Taxis der Stadt fungierten.

Wann das Kaffeehaus genau nach der Adresse Am Heumarkt benannt wurde, ist heute nur noch schwer festzustellen. Es muss um 1920 gewesen sein, als der Großvater der derzeitigen Besitzer, des Brüderpaars Michael (geboren 1953) und Alexander Tomoff (geboren 1956), seinen Familienbetrieb gründete. Dazwischen führten Mutter und Tante der beiden Tomoffs über Jahrzehnte das seither legendäre Café. Kurios dabei: Beide Schwestern waren eigentlich akademisch diplomierte Chemikerinnen und wurden dennoch Gastronominnen. Gegen Ende ihrer Regentschaft im Lokal setzte in Wien das Kaffeehaussterben ein. Zahlreiche Innenstadtlokale wichen Bankfilialen.

Eine alte Kühlvitrine dominiert Anblick und die Hintergrundgeräusche des Kaffeehauses. - © Paul Vécsei
Eine alte Kühlvitrine dominiert Anblick und die Hintergrundgeräusche des Kaffeehauses. - © Paul Vécsei

In jüngerer Zeit drehte sich dieser Trend wieder. Das Café am Heumarkt überlebte alles in einem zum Teil sanften Dornröschenschlaf. Seit Jahrzehnten blieb die Einrichtung gleich. Damals wie heute ist es vor allem in der kalten Jahreszeit ein beliebter Wärmeplatz für die Generationen von Schulschwänzern aus dem nahe gelegenen Akademischen Gymnasium am Beethovenplatz. Ein wunderbarer amerikanischer Kanonenofen inmitten des Lokals sorgt für entsprechende Glut. Dazu brummt bis heute gemütlich eine gläserne Kühlvitrine aus dem Paläozoikum wie ein Traktor.

Wo einst der Fernseher für die Vorform heutiger Public Viewings Platz fand, stehen nun Blumentöpfe. - © Paul Vécsei
Wo einst der Fernseher für die Vorform heutiger Public Viewings Platz fand, stehen nun Blumentöpfe. - © Paul Vécsei

In einem Extrazimmer fanden viele Jahre lang Vereine für Briefmarken- und Münzensammler, Hundefreunde und Modellbauflieger sowie ein Literaturklub eine Heimstatt. Über Jahrzehnte bot das Lokal mit einem Fernseher auf einem Podest die ersten Public Viewings. Wenn Karl Schranz und Annemarie Moser-Pröll über die Pisten fegten oder spannende Fußballmatches übertragen wurden, standen die Kaffeehausbesucher im überfüllten Lokal manchmal bis auf die Straße hinaus. Heute dient das Fernsehpodest auf der Stirnseite des Cafés als Blumentischerl.

Nicht zuletzt mit dem Musikfestival "Wien modern" erlebte das Café am Heumarkt als Treffpunkt ein richtig gehendes Revival. Für verschiedene Rahmenveranstaltungen, Premierenfeiern und Ähnlichem wurde es vor allem von Künstlern "wiederentdeckt". Laut Kulturmanager Gerald Matt lädt das Café "zu einer Zeitreise in die Zeitlosigkeit". Er erklärt unumwunden: "Ich liebe dieses Lokal." Auch Architekt Laurids Ortner, Kabarettist Josef Hader und zahlreiche Andere zählen zur lokalverliebten Klientel.

Doch nun gibt es leichte Zeichen der Veränderung im Café: Billardtische in der Innenstadt sind zur Besonderheit geworden. Das "Heumarkt" besitzt sogar zwei davon. Einer der beiden ist heuer nach vielen, vielen Jahren wieder komplett instand gesetzt worden. Er kann nunmehr auch wieder richtig bespielt werden.