Was nennt man ein "ewiges Wiener Provisorium"? Die Fremdenführerin Friederike Kraus weiß anhand der Minoritenkirche in der City eine klare Antwort: "Das ist jetzt schon seit Jahrhunderten so." Gemeint ist damit die Turmspitze der Kirche. Bei der Zweiten Türkenbelagerung 1683 wurde das Haupt des Sakralbaus von den Osmanen einfach weggeschossen. Seither krönt ein "provisorisches" Flachdach den obersten Punkt. Davor gab es hier ein hohes Helmdach. Auf das hatten es die Türken auch schon einmal davor im Jahr 1529 abgesehen, als sie zum ersten Mal versuchten, Wien einzunehmen. Nach dem ersten Abschuss hatte man die Turmspitze noch repariert. Seit 1683 blieb es aber dann doch bis heute beim "Provisorium".

Gleich zweimal haben die Türken den Turm "geköpft". - © P. Vécsei
Gleich zweimal haben die Türken den Turm "geköpft". - © P. Vécsei

Solche und ähnliche Geschichten weiß Friederike Kraus im Rahmen ihrer "Stadtführungen mit Pfiff" amüsant zu erzählen. 1224 lud Babenberger-Herzog Leopold VI. die Minoriten vom Stamm der Franziskaner zur Kloster- und Kirchengründung nach Wien.

1275 brannte fast die ganze Wienerstadt nieder. Ein gewisser König Ottokar (Premysl) von Böhmen legte in der Folge den Grundstein für die Neubauten der Minoriten. Es war jener König, der seinerzeit in Wien höchst populär war. Sein "Glück und Ende" wurde 1825 in einer besonders Habsburger-freundlichen Version bei Franz Grillparzer verewigt. Jedenfalls wurde der echte Ottokar 1278 nach der Niederlage und seinem Tod in der Schlacht am Marchfeld gegen den ersten Habsburger-Kaiser Rudolf I. noch 30 Wochen lang mit allem Respekt in der Wiener Minoritenkirche aufgebahrt. Die Habsburger waren in der Stadt noch nicht allzu beliebt. Das sollte sich erst im Laufe der 640 Jahren danach ändern.

Das "Letzte Abendmahl", in diesem Fall von Giacomo Raffaelli. Die Mosaiknachbildung ist eine Besonderheit der Minoritenkirche. - © Alberto F. Fernandez
Das "Letzte Abendmahl", in diesem Fall von Giacomo Raffaelli. Die Mosaiknachbildung ist eine Besonderheit der Minoritenkirche. - © Alberto F. Fernandez

1782 "verbannte" der kirchenkritische Joseph II. (1741 bis 1790) den Bettelorden der Minoriten in die Alserkirche. Das Gotteshaus in der Innenstadt wurde der Italienischen Kongregation Maria Schnee übereignet und somit zur italienischen Nationalkirche. Sie ist bis heute die kirchliche Heimstatt der Italiener in Wien.

Kaiser Franz I.(II.) (1768 bis 1835) kaufte bei Giacomo Raffaelli ein Mosaik des "Letzten Abendmahls", dem Leonardo da Vincis berühmtes Bild als Vorlage diente. Dieses hatte eigentlich Napoleon in Auftrag gegeben. Es wurde aber erst nach dessen Sturz fertiggestellt. Also erwarb der Schwiegervater Franz das Kunstwerk für das Belvedere. Für dort erwies es sich letztlich als zu groß. Seither ziert das Mosaik die "enthauptete" Minoritenkirche.