Eine Silvesternacht ohne Gulasch oder Gulaschsuppe ist in Wien meist undenkbar. Allerdings herrscht eine babylonisch-magyarisch-wienerische Sprachverwirrung, was mit Gulasch eigentlich genau bezeichnet wird. Außer Streit steht, dass diese international beliebte Speise weitgehend aus Zwiebeln, Paprika und Fleisch besteht. Eine sektiererische Abweichung von diesem heiligen Kanon stellen bereits Schwammerl- und Gemüsegulasch dar. Aber lassen wir vorerst einmal solche unheiligen Ausfransungen beiseite.
An allem Anfang, gleich nach Erschaffung der Welt, stand in der ungarischen Puszta der Gulyás. Das ist der Prototyp des Hirten mit langer Pfeife, dunklem Hut und weißem Fell mit Zotteln. Peter Hammerschlag dichtete dazu in seiner "Ungarischen Schöpfungsgeschichte" von 1931, bezogen auf den lieben Gott: "Erst hat gegründet Ungarland, dann Rom, Athen und Kreta, Und alle Menschen, was bekannt, Sind nachgekommen späta." Der Gulyás also ernährte sich klassisch von einem Suppeneintopf aus Fleisch, Zwiebeln, Gemüse und Paprika. Er braute das in einem Kessel. So wurde das Gulyás geboren. Wohlgemerkt - es handelt sich beim Original um eine Suppe!!! Wer daher in Ungarn ein "Original Gulasch" bestellt, muss wissen, dass ihm etwas serviert wird, was bei uns Gulaschsuppe heißt.

Mit der Arme-Leute-Speise provozierten romantisch-nationalistische ungarische Adelige den Wiener Hof, in dem sie diese zur ungarischen Nationalspeise hochstilisierten und bei Empfängen kredenzten. Aber Wien wäre nicht Wien und seine Küche hätte niemals Weltruhm erlangt, hätte man nicht köstliche Speisen aus der gesamten Monarchie irgendwie veredelt. Aus der Suppe wurde in der Reichs- und Residenzhauptstadt eine Art g’schmackiges Ragout, das in verschiedensten Spielarten zubereitet werden konnte.
Kein Gulaschmuseum mehr in der Wiener Innenstadt
Das Wiener Saftgulasch begann seinen Siegeszug um die Welt. Es trat in variierten Gewändern vom Fiaker- bis zum Kaisergulasch auf. Die Ungarn blieben bei ihrer Suppe und nennen die Wiener Speise als Einzige auf der ganzen Welt: Pörkölt. Die Spielarten des Paprika-Gebräues machte sich auch ein findiger Wiener Gastronom zu Nutze: Hannes Sailer (geboren 1943), früher auch Chef des berühmten gleichnamigen Restaurants in Währing, gründete 1985 in der Innenstadt das Gulaschmuseum. Dort ließ der renommierte Gastronom 14 Sorten Gulasch für seine Gäste auftragen. Die Unterschiede waren informativ in seinem Museumsführer - so nannte er seine Speisekarte - vermerkt.
Basis fast aller Varianten sind passierte Zwiebel im Verhältnis 1:1 mit Wadschinken oder Schulterfleisch. Der Rest: Paprika, Gewürze und andere Zutaten, die das Geheimnis jeder Küche bleiben. Die Wiener Institution Gulaschmuseum musste übrigens im Vorjahr das Zeitliche segnen. Zuerst gab es Konflikte mit dem Verpächter bei der Übergabe des Lokals an Sailers Sohn. Dann sorgten die Corona-Lockdowns für das nunmehr endgültige Aus des originellen Restaurants.
Die meisten Wiener bilden sich ja ein, sie hätten das richtige Rezept des so vielfältigen Gulasch. Das aber habe nur ich allein von meiner ungarischen Großmutter. Wie sich das zusammensetzt? Das verrate ich bestimmt nicht.
Paul Vécsei