Liebhaber frischer Süßwasserfische müssen heute in Wien manchmal weite Wege zurücklegen, um zu den Objekten ihrer lukullischen Begierde zu kommen. Diverse Märkte und Spezialgeschäfte helfen hier heute aus. Aber bis ins Jahr 1972 hat es im Zentrum der Stadt einen richtigen Fischmarkt gegeben. Mit lebendigen Tieren, die in durchfluteten Käfigen, sogenannten "Kaltern", im fließenden Wasser gehalten wurden.

Ort des Geschehens, an dem so manches geschuppte Wassertier sein Leben lassen musste, um geputzt und lecker zubereitet auf den Tellern eines Wiener Haushalts zu landen, war ausgerechnet der Wiener Donaukanal. Auf ungefährer Höhe der Salztorbrücke hauchte so mancher Süßwasserfisch sein Leben aus, sofern er nicht doch noch lebendig im mit Wasser gefüllten Nylonsackerl nach Hause geschleppt wurde, um schließlich dort, nach dieser Gnadenfrist in Stadtbahn, Tramway oder Auto(bus), doch noch das Zeitliche zu segnen.

Fischverkäufer waren seit dem 18. Jahrhunderts vor der Bastei am Ufer des Wiener Kanals vertreten. Das war jener Donauarm, der später zum Donaukanal wurde. Die Wissensplattform der Stadt "Wien Geschichte Wiki" weiß zu berichten, dass 1753 die Fischstände vom Hohen Markt abgesiedelt wurden und zum Fischmarkt beim "Schanzl vor dem rothen Thurme" dazu kamen.

Mit der Errichtung der Ringstraße fand der Fischmarkt ab 1875 am stadtseitigen Ufer des Donaukanals, am Franz-Josefs-Kai unterhalb der Augartenbrücke, seine fixe Heimstatt. Dafür wurde extra eine heute noch bestehende Zufahrt gebaut. Als um 1900 die Stadtbahn kam, rückte der Markt mit seinen Ständen in die Nähe der Stefaniebrücke, der heutigen Salztorbrücke.

Der Wiener Gemeinderat beschloss also 1903, einen zentralen Fischmarkt zu errichten. Oberhalb der Stefaniebrücke wurden stadtseitig zwei Verkaufshallen errichtet, in denen die Stände mit Hochquellwasser-, Gas- und Kanalanschluss versorgt wurden. Auf einer Länge von 100 Metern konnten an einem Treppenkai im Donaukanal die Behälter für die lebenden Fische befestigt werden. Unter der Zufahrtsrampe vom Franz-Josefs-Kai entstand ein Kühlraum, daran anschließend eine Niederlassung des Marktamtes. Der Fischmarkt wurde 1904 eröffnet.

Er bestand immerhin bis zum Jahr 1972. Damals war die Wasserqualität des Kanals so ziemlich am hygienischen Ende. Nicht alle verkauften Fische mussten mehr an Ort und Stelle mit Hilfe von Mordwerkzeugen getötet werden. So sank nach und nach auch die Besucherzahl. Das war das Ende des Fischmarktes. Hin und wieder wurden vor allem in der Vorweihnachtszeit aus dem Waldviertel angelieferte Karpfen noch bis in die späten 1970er Jahre im Donaukanal gehalten und dort verkauft. Das war es dann aber endgültig mit noch lebenden Fischen aus Fließgewässern.

Jetzt kann man sie in Wien nur noch auf manchen Märkten aus Holz-Bottichen oder Todeszellen in notdürftiger Aquarienform für ein gutes Essen zu Hause herausfischen lassen. Mahlzeit!