Die tolle alte "Lady" steht in ihrem 73. Lebensjahr und sie begeistert mit ihrer Schönheit Jahr für Jahr Wienerinnen und Wiener. Sie heißt: "Magnolia x soulangeana". Für die meisten Stadtbewohner ist sie einfach die "Magnolie beim Stadtpark". In dieser Rolle gilt die Tulpenmagnolie vor dem Gebäude der Stadtgartendirektion und der Zentrale der MA 42 als eine Art Wahrzeichen derselben. Nun steht der Baum unmittelbar vor der Vollblüte, die Naturliebhaber nicht versäumen sollten.

Der wunderschöne Baum ist auch ein oft gebrauchter Wegweiser: "Die Stadtgartendirektion bei der tollen Magnolie" finden viele Suchende meist viel leichter als die Adresse Johannesgasse 35. Einer ihrer derzeitigen Hüter ist der dienstlich dort beheimatete Gerhard Pledl. Der Landschaftsplaner und Gartenhistoriker kultiviert auch privat Magnolien und weiß über das Baumgewächs direkt vor seinem Bürofenster und dessen Geschwister ziemlich gut Bescheid: "Diese Gattung ist das älteste noch lebende Blütengehölz", weiss der Experte. Sie entstand vor etwa 130 Millionen Jahren. Vor der letzten Eiszeit war sie auch in unseren Breiten heimisch. Womöglich nähern wir uns nun durch die Klimaerwärmung dem wieder etwas an. Eine Magnolienpflanze sei im Altertum noch "ein echtes Statussymbol gewesen, so wie heute ein Ferrari oder ein anderes echtes Nobelauto", erzählt Pledl. Lilienmagnolien waren daher im alten China nur im Besitz des dortigen Kaisers erlaubt.

Georg Pledl kontrollierte in der Vorwoche die Knospen. Demnächst sollte es wieder die imposante Vollblüte geben. - © Paul Vécsei
Georg Pledl kontrollierte in der Vorwoche die Knospen. Demnächst sollte es wieder die imposante Vollblüte geben. - © Paul Vécsei

Ihre Bestäubung funktioniere auch nicht über Bienen, sondern vorwiegend über Käfer, von denen es im Stadtpark genügend gibt. Pledl: "Sie hat keinen Nektar, sondern nur Pollen." Alle anderen Bedingungen wären für die hiesige Magnolie "ganz und gar nicht so ideal". Sie steht nahe der Straße, dort ist der Boden weder humusreich, noch sauer genug. Es herrscht auch nicht das von ihr normalerweise bevorzugte "waldartige Klima zwischen alten Bäumen", sagt Pledl. "Eigentlich steht dieser Flachwurzler hier vollkommen falsch." Dennoch erfreut die Magnolie seit über siebzig Jahren alle Gemüter. Touristen kommen von weit her, um sie in der Blüte zu fotografieren. Und so manche Spaziergänger verweilen entzückt vor ihrer rosa-weißen Pracht.

Dieser Tage ist es wieder so sein, bestätigt die MA 42, durch deren Pflege der Baum "am falschen Platz" schon lange hier so gut gedeiht. Die Blüten "spitzeln" längst und es wird Zeit für einen Besuch. Die Magnolie blüht nämlich oft nur drei oder vier Tage lang, wenn die Blüten nicht vorher "ein unerwarteter Frost umbringt. Nur bei kühlem, feuchten Wetter zeigt der Baum seine tausenden Blüten bis zu zwei Wochen lang."

Die "spektakuläre Blütenpracht am markanten Standort" macht die Magnolie am Stadtpark nicht nur zum Wahrzeichen, sondern auch zum ersten Symbol für den Frühling in Wien. Die ebenfalls recht frühe Rosskastanie ist laut Pledl "erst etwas später dran."

Magnolien, auch im Topf, werden jetzt zunehmend wieder modern, meint der Gartenhistoriker. Über ihre richtige Anpflanzung veranstaltet Gerhard Pledl für Leser der "Wiener Zeitung" auch Kurse. Sie sind gepaart mit einer Führung durch die Schulgärten der Stadt Wien. Anmeldungen: paul.vecsei@wienerzeitung.at