Im achtfach mit einem Oscar gekrönten Mozart-Film "Amadeus" von Milos Forman (1984) hat der Wiener Narrenturm gleich am Anfang seinen Auftritt: Der angebliche Mozart-Rivale Salieri beichtet in der Irrenanstalt einem Priester seinen Mord am Wolferl. Nicht nur diese Geschichte ist falsch - auch die verwendeten Bilder. Denn sie wurden in Prag gedreht. Wahr ist aber, dass es den "Irrenthurm" oder später "Narrenturm" gibt. Er wurde 1784 als erste Anstalt am Kontinent ausschließlich zur Behandlung "Wahnsinniger" errichtet. Der aufgeklärte Kaiser Joseph II. (1741-1790) zahlte sogar den Bau aus seiner Privatschatulle. Joseph beteiligte sich auch rege an der Planung und ließ sich am Dach des Gebäudes ein eigenes Zimmer einrichten. Der fünfstöckige, runde Turm verfügt über 139 Räume.

Joseph II. behielt Geheimnisse um den Narrenturm bei sich.
- © HGM / HickelBis heute bleibt es ein Rätsel, warum der mit den Freimaurern sympathisierende Kaiser darauf bestand, pro Stockwerk 28 Zimmer zu schaffen. Einen Kreis in exakt 28 gleiche Segmente zu teilen, galt schon damals als schwierig. Weiters ließ Josef am Dach den ersten Wiener Blitzableiter errichten. Damals vermutete man, dass Ströme heilend wirken könnten. Die "Blitzfangeinrichtung" war also so etwas wie der erste Elektroschocker in der Psychiatrie, nur harmlos und gut gemeint. Schließlich verhinderte er zumindest schlimme Blitzeinschläge. Kein Mensch weiß heute, warum Kaiser Joseph auf dem Eröffnungsdatum 19. April 1784 bestand. Für den heutigen Museumsleiter Eduard Winter ist der damalige Zeitdruck auch Grund "für so manchen Pfusch". Denn die Heizungen funktionierten nicht. Das Gefälle für die Kanalisation ebenso wenig. Also wurde in den Räumen mit meist zwei Kranken in offenen Schalen geheizt und in transportable Kübel uriniert. Fenster gab es für die rund 600 Insassen lange keine, man setzte auf die Wirkung frischer Luft. Das änderte sich später. Da wurden auch statt bloßer Gitter Holztüren an den Zelleneingängen angebracht.

Dennoch war die Einrichtung für die damalige Zeit und die Entwicklung der Psychiatrie revolutionär: "Wahnsinnige" galten erstmals als Kranke mit Würde, denen es galt zu helfen und sie human zu behandeln. So heißt es dezidiert in einer Vorschrift: "Es ist Wärtersleuten auf das schärfste untersagt, einen Wahnsinnigen zu necken, zu schimpfen, zur Bosheit zu reizen, auszulachen, zu stoßen oder gar zu schlagen" . . . (Der Arzt) "gibt denselben Beschäftigungen durch Aufgaben in Rechnen, Schreiben, Musik, in der Gartenarbeit, um den Geist derselben zu beschäftigen."
Die Anstalt war bald überfüllt und die Methodik überholt. Doch die Psychiatrie wurde erst 1869 aus dem Turm abgesiedelt. Wegen seiner charakteristischen Form heißen in Wien einschlägige Einrichtungen seither "Gugelhupf".
In den "Narrenturm" kamen Ärztezimmer, auch Sigmund Freud hatte dort eines. Dann entstand ein Schwesternheim. Seit 1971 ist im Gebäude das Pathologisch-Anatomische Museum beheimatet. Als Außenstelle des "Naturhistorischen" wird es jährlich von vielen Studenten besucht. In seiner Sammlung finden sich medizinisch wertvolle Exponate von Fehlbildungen, Raucherlungen und andere Präparate. Einer der sachkundigen Führer ist der emeritierte Gynäkologie-Professor Christian Dadak, der als Leser der "Wiener G’schichten" auf diese Einrichtung hinwies.