Ein Hinterhof in der Bachgasse in Ottakring. Auf einem Dachfirst eines ebenerdigen Gebäudes sitzt eine Krähe, deren Schreie durch den Hof unheimlich schallen. Hier befindet sich das kleine Reich von Rahmenmacher Christopher Hillinger. "Kommen Sie herein", strahlt er und öffnet eine der beiden Glastüren, die ins Innere führen. "Ich bin heute bestimmt einer der letzten Rahmenmacher in Wien."

Kunsthandwerker, zu denen auch die Rahmenmacher wie Christopher Hillinger zählen, haben es heutzutage besonders schwer, weiß Wolfgang Hufnagl, Innungsmeister der Kunsthandwerke in der Wirtschaftskammer Wien. Groß sei die Gemeinde der Rahmenmacher nicht mehr. Nur noch wenige Werkstätten gebe es in der Bundeshauptstadt. Diese seien hingegen sehr spezialisiert und legen viel Wert auf Ausführung und Design, wie Hufnagl erklärt. Professionell hergestellte Rahmen seien nicht nur dekorativ, sondern sorgen auch für eine gute Verankerung des Bildes.

Mehr als 400 Musterprofile von Rahmen lagern in seiner Werkstatt. - © Christopher Erben
Mehr als 400 Musterprofile von Rahmen lagern in seiner Werkstatt. - © Christopher Erben

Die Rahmenmacherei von Christopher Hillinger ist zweigeteilt: Im Keller eines Gründerzeithauses befindet sich die Tischlerei, deren Fenster zur Bachgasse zeigen. Erst durch die Durchfahrt des Hauses gelangt man zur dahinter und im Hof gelegenen Vergolderwerkstatt oder Atelier. Mehrere Rahmen sind hier schon von der Weite her zu sehen, die an den Wänden hängen oder lehnen.

Der Schein trügt nicht: Manche Rahmen werden mit Blattgold verziert. - © Christopher Erben
Der Schein trügt nicht: Manche Rahmen werden mit Blattgold verziert. - © Christopher Erben

Bereits als Kind wollte Christopher Hillinger den Beruf des Rahmenmachers und Vergolders erlernen und in die Fußstapfen seines Vaters treten, der ebenso Rahmen in Handarbeit hergestellt hat. Diesen Wunsch wollte er ihm anfangs nicht erfüllen. Doch der Jugendliche blieb hartnäckig. Als sein Vater im Jahr 1997 in Pension ging, begann sein Sohn in der Firma zu arbeiten. Mit neun Mitarbeitern wagte er 2002 nur eine Hausecke weiter in der Bachgasse einen Neubeginn. Heute beschäftige er jedoch nur noch einen einzigen Mitarbeiter, den er das Wissen des Rahmenmachens anvertraut, erzählt er mit etwas Wehmut.

Learning und viel Doing

"Da es den Beruf des Rahmenmachers nicht mehr gibt, kann man ihn auch nicht durch eine Lehre erlernen", erklärt Wolfgang Hufnagl. "Weil die Reglementierung aufgehoben wurde." Rahmenmachen sei ein freies Gewerbe, für dessen Ausübung keine Konzessionsprüfung mehr erforderlich sei. Erfahrung und Wissen können daher nur im Betrieb weitergegeben werden - etwa an langjährige Mitarbeiter, die ihn später hoffentlich übernehmen und weiterführen werden. So bleibe auch die langjährige Tradition erhalten, sagt der Innungsmeister.

Für viele Kunsthandwerksbetriebe sei die Suche nach Nachfolgern heute eine enorme Herausforderung. Deswegen betreibt die Wirtschaftskammer Wien eine Börse, um sie bei der Suche nach Nachfolgern zu unterstützen. Hufnagl ist überzeugt davon, dass es den Beruf des Rahmenmachers weiterhin geben wird, da der Bedarf an handgefertigten Rahmen in Wien nach wie vor groß sei.

Künstlerisch zu arbeiten - ja, das sei genau das Seine, gibt Hillinger zu und nimmt das Musterprofil eines Holzrahmens in die Hände, die in der Kellerwerkstatt lagern. Mehr als 400 davon könne er Kunden zeigen und danach arbeiten. Bis zu 40 Arbeitsstunden brauche er im Schnitt, um einen neuen Rahmen herzustellen - je nachdem, ob er ihn nur färbt oder auch vergoldet. Mit einfachen Werkstücken sei er aber bereits in wenigen Tagen fertig. Zwischen 15 und 20 Stück verlassen jeden Monat seine Werkstatt - allein über 1.000 fertigte er in den vergangenen Jahren. Was ihn aber mit Stolz erfüllt, ist, dass Bilder in Ausstellungen und Museen immer auf seinen nachgemachten Rahmen hängen. "Meine Stücke erkenne ich dort sofort", sagt der Kunsthandwerker und lacht.

Fälscher am Werk

Seine Rahmen fertigt Christopher Hillinger aus Lindenholz, das aus wenigen Ästen besteht. "Meine Profile werden ums Eck gearbeitet, verleimt und überplattet", erzählt der Handwerker, wodurch sie viele Jahre halten und sogar einen Sturz von der Wand überleben. Mehr als 40 Jahre haben sogar einige in seinem Atelier "auf dem Buckel". Immer sind es Imitate, die Laien vom Original kaum unterscheiden können.

"Ein neuer Rahmen soll dem alten zum Verwechseln ähnlich sehen", erklärt der Fachmann und nimmt einen Pinsel in die Hand, mit dem er einen Rahmen patiniert, um ihn zu altern. Während er früher jede Woche bis zu 60 Stunden in der Werkstatt arbeitete, sei er am Wochenende nur noch selten hier anzutreffen - vor allem seitdem seine Beziehung zerbrochen ist, teile er sich die Arbeitszeit nun besser ein, gibt der Vater einer Tochter zu.

Nachdem Hillinger den Holzrahmen geleimt hat, grundiert er ihn mit einer Kreide; danach schleift er ihn und trägt ein Poliment auf, welches jeder Vergolder nach eigener Rezeptur herstellt. Dieses wird von Generation zu Generation weitergegeben. Danach wird die Vergoldermasse auf den Kreidegrund aufgebracht. Zu guter Letzt kommt darauf noch das Blattgold.

Um die Arbeiten und Leistungen der letzten Rahmenmacher hervorzuheben und in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, setze sich die Innung für sie ein, betont Wolfgang Hufnagl und zählt zum Beispiel die Langen Nacht der Museen auf. Auch hole er die Kunsthandwerksbetriebe über eine eigene Plattform vor den Vorhang. Zuletzt war das bei der Wohn- und Lifestyle-Messe Design District der Fall.

Wissen mit Ablaufdatum

In den vergangenen Jahren habe sich vieles verändert. Immer weniger gefragt seien Ornamentverzierungen, bedauert Christopher Hillinger. "Mit Jugendstil halte ich mich noch über Wasser." Aber nicht nur der Geschmack - auch die Preise fürs Material haben sich verändert. Diese könne er seinen Kunden nicht immer weiterverrechnen. Blattgold zu bekommen, werde immer schwieriger. Hinzu kommt, dass auch die Museen sparen. Viele seien nicht mehr bereit, für einen professionell hergestellten Rahmen in die Tasche zu greifen.

Der Abend legt sich über Ottakring. Ein kühler Wind weht durch den Hof. Christopher Hillinger schließt die Werkstatttüren. Ans Aufhören denke er immer wieder, seit er Werkstatt sowie Wohnung zum Verkauf inseriert. "Mein Wissen geht damit unwiederbringlich verloren", seufzt er. "Und das für immer."