"Wiener Zeitung": Wie schaffen Sie es, mit 90 Jahren noch jemanden wie Jane Fonda auf den Opernball einzuladen, während andere in Ihrem Alter ihr Dasein in einem Altersheim fristen?

Richard Lugner: Ich warte einfach nicht darauf, dass ich krank werde, sondern ich tue etwas für meine Gesundheit: Seit 37 Jahren mache ich immer Ende Mai eine Vivamayr-Kur und nehme sieben Kilo ab. Dann dusche ich mich schon seit 70 Jahren regelmäßig mit kaltem Wasser. Seit 2017 fahre ich auch nach Leipzig zu einem Arzt, der eine Substanz entwickelt hat, die mit dem eigenen Blut vermischt und wieder iniziiert wird. Diese Substanz belebt die Stammzellen, die bei mir schon pensioniert sind - und die Organe werden auch aufgemuntert. Seit fünf Jahren nehme ich außerdem Nahrungsergänzungsmittel. Und seit einem Jahr gehe ich einmal in der Woche in die Kältekammer. Da kann ich dann mit meinen 90 Jahren zwei Stockwerke hinauflaufen, nehme sogar mit jedem Schritt zwei Stufen und mir geht die Luft nicht aus.

Des Baumeisters Wahrzeichen: das Einkaufszentrum Lugner-City. - © picturedesk / Karl Schöndorfer
Des Baumeisters Wahrzeichen: das Einkaufszentrum Lugner-City. - © picturedesk / Karl Schöndorfer

Und was ist das Geheimnis Ihres beruflichen Erfolges? Sie haben ja ganz unten angefangen, sind als Bauarbeiter in Ottakring mit der Scheibtruhe herumgefahren.

Naja, mir ist es halt nie um das Geld gegangen, sondern immer nur darum, Erfolg zu haben. Und ich war immer ein schüchterner Typ, ich traue mich bis heute nicht, Frauen anzusprechen, aber glücklicherweise melden sich mittlerweile genug von selbst.

Wie haben Sie das geschafft?

Ich war in der HTL Hochbau und da musste ich im Sommer immer Ferialpraxis machen. Ich habe mich aber nie selber zu einer Baufirma hingehen getraut, das ging nur an der Kittelfalte meiner Mutter hängend. Einer meiner Kollegen ist dann später zur Shell gegangen und hat erzählt, wie toll das dort ist, ein anderer zu Esso. Dann hat die Mobil - es war 1956 - einen Job ausgeschrieben und ich habe mich beworben, obwohl ich eigentlich gar nicht wegwollte vom Bau. Ich kannte den Generaldirektor der Mobil, weil wir mit der Baufirma seine Wohnung gebaut haben. Damals habe ich am Bau 1.400 Schilling netto verdient, verlangt habe ich von der Mobil 1.900, angeboten wurden mir 1.800 - da bin ich nicht mehr ausgekommen. Als Bautechniker war ich dann dort für den Bau von Tankstellen verantwortlich. Meine Kostenschätzungen waren immer korrekt, ich konnte die Ausgaben senken und ich habe die Sichtbarkeit der Mobil-Schilder verbessert, was sich positiv auf die Frequenz ausgewirkt hat - und so waren alle sehr zufrieden mit mir.

Das heißt, Sie sind mit Genauigkeit und Einfallsreichtum aufgefallen?

Ja, und mit meinem Gedächtnis. Da gab es zum Beispiel einmal eine zwei Tage lang dauernde Bauverhandlung für ein Tanklager in Linz. Der Chef hatte eine Mineralölverordnung aus dem Jahr 1929 im Büro und es gab auch einen Entwurf für eine Novelle der deutschen Verordnung - aber noch keine Kopierer. Also habe ich mir die Unterlagen ausgeborgt, über das Wochenende auswendig gelernt und dann bei der Bauverhandlung bei den Behörden als Experte gepunktet. Das hat den Direktor natürlich gefreut.

Wie lange waren Sie dort?

Fünf Jahre lang - bis mich dann ein ehemaliger Schulkollege gefragt hat, ob ich nicht mit ihm im Rahmen der damaligen Wiener Wohnbau-Aktion unter Bürgermeister Slavik Eigentumswohnungen bauen will. Ich war für die Sonderwünsche zuständig - also Zentralheizungen, genügend Stromanschlüsse in den Zimmern, Glastüren für mehr Licht etc. Und dann - das war ein sehr wichtiger Schritt für mich - hat jemand ein Offert für den Umbau des Augarten-Hotels von mir gewollt. Davon hatte ich zwar keine Ahnung, aber ich hatte noch die Offerte von den Tankstellen und habe die als Richtlinien für die Kalkulationen verwendet: Das war mein Start zum Baumeister.

Gleich von Anfang mit dem heutigen Logo?

Kurze Vorgeschichte dazu: 1958 wollte ich zur Weltausstellung nach Brüssel fahren - dafür habe ich einen Fjord-blauen VW-Käfer bestellt, aber die Lieferzeit war zu lange. Also habe ich bei VW angerufen und die haben gesagt: "Es gibt noch einen, den Sie gleich morgen haben können, aber der ist halt rot" - und ich habe ihn genommen. Später als junger Baumeister hatte ich einen Mitarbeiter, eine Sekretärin und meine gerade schwangere Frau, die mitgeholfen hat. Ihr habe ich gesagt, sie soll ein Lastauto besorgen - einen blauen VW-Pritschenwagen, weil eine Baufirma ohne Lastauto keine Baufirma ist. Sie hat mich angerufen und gesagt: Du, den gibt es auch im selben Rot wie der Käfer. So ist dann das Lugner-Rot entstanden und es wurden immer mehr Aufträge und daher auch immer mehr Mitarbeiter.

Richtig bekannt geworden sind Sie Ende der 1970er Jahre durch den Bau der Moschee in Floridsdorf, oder?

Ja, das war die erste Moschee, die in Österreich gebaut wurde. Es war ein nebliger Samstagnachmittag im November, an dem mich nichts gefreut hat, als ein Anruf einer Bekannten kam, deren Freund in der arabischen Botschaft arbeitete und mit mir über eine Moschee reden wollte. Mein Glück war, dass ich im Sommer in Istanbul war und mir die Moscheen dort ganz genau angeschaut habe, und auch in Zypern habe ich mir bei einer Reise komischerweise die Moscheen angesehen. Und dann war ich beim Botschafter und die Chemie hat total gestimmt. Die Baubewilligung habe ich so unauffällig wie möglich gemacht, damit das nicht gleich überall in der Zeitung steht und plötzlich alle mitbieten wollen. Also wurden nur drei Bieter eingeladen und ich war der günstigste. Allerdings bekam ich einen Tag vor Vertragsunterzeichnung einen Anruf, wo ich erfahren habe, dass es jetzt einen anderen Baumeister gibt, der zum Islam konvertiert ist und sich schnell beschneiden hat lassen, und er nun die Moschee bauen soll.

Aber gab es nicht generell die Vorgabe, dass nur ein Moslem die Moschee bauen darf?

Nein, es war nur Vorgabe, dass der Bewerber religiös sein muss und nur an einen Gott glaubt, sonst hätte ich ja gar nicht mitbieten können. Schlussendlich fiel die Entscheidung aber zu meinen Gunsten aus, weil allen ein Baumeister lieber war, der bei seiner Religion bleibt, als einer, der sich wegen eines Bauauftrages beschneiden lässt.

Was waren weitere Highlights?

Da gab es für mich viele, aber ich habe nie große Wohnhäuser gebaut - sondern mich immer nur für Bauplätze interessiert, die sich an prominenten Plätzen befinden. Und ich war der Erste mit roter Tafel und Antiqua-Schrift. Und im Laufe der Jahre habe ich 20 Baufirmen gekauft, weil ich immer zu wenig Leute hatte.

Wann hatten Sie die Idee, die Lugner-City zu bauen?

Das ist eine lange Geschichte. In dem Haus, das aus dem 19. Jahrhundert stammt, war die Galvanisierungsfirma Skolnik, die nach Donaustadt übersiedelt ist. Die haben mir das Haus im Juni um 18 Millionen Schilling angeboten, ich habe 15 Millionen Schilling geboten, was ihnen zu wenig war. Im Juli haben sie mich nochmals angerufen und gefragt, ob das Angebot noch steht. Ich habe Ja gesagt und schon am nächsten Tag den Vertrag unterschrieben. Ein wenig später hat mich dann der damalige Finanzstadtrat und Vizebürgermeister Hans Mayr angerufen, der mich sofort sprechen wollte. Er hat erzählt, dass er in der Gegend aufgewachsen ist und das Haus mit drei Genossenschaften ebenfalls kaufen wollte, aber ich habe es ihm wegschnappt. Ich meinte: Sollen wir uns irgendwann einmal treffen? Und er hat gesagt: Irgendwann? In 20 Minuten bist Du da.

Und was wollte er?

Er wollte mir helfen. Es ging ihm nur darum, dass da was Gutes hinkommt. Zur Eröffnung haben sie mir auch die Gablenzgasse neu gebaut. Die war mit den alten Pflastersteinen eine furchtbare Rumpelpiste.

Was hätte Mayr dort hingebaut?

Ein Wohnhaus und einen Konsum.

Und was war Ihre Idee?

Sie war auf jeden Fall kleiner als das, was es geworden ist. Auch ein Wohnhaus mit einem Supermarkt, noch ein Café und so weiter. Aber es ist dann doch viel größer geworden, weil ich dank der Stadt auch noch die Straße kaufen konnte, die damals noch durch die jetzige Lugner-City durchgegangen ist. Dann habe ich noch insgesamt 20 Häuser gekauft und für die Mieter auf der Westbahnstraße ein weiteres renoviert oder ihnen viel Geld gezahlt beziehungsweise haben sie auch in der Lugner City Wohnungen quasi um ein Butterbrot bekommen. Und so hat das eine das andere ergeben - sieben Bauabschnitte waren es insgesamt.

Jetzt eine persönliche Frage: Wie passt Ihre erwähnte Schüchternheit mit Ihren vielen Frauengeschichten zusammen - Sie waren immerhin fünf Mal verheiratet?

Das ist zu kompliziert. Naja, so schüchtern bin ja heute auch nicht mehr. Mit meiner ersten Frau war ich 17 Jahre lang verheiratet. Sie war meine Jugendliebe. Warum das schiefgegangen ist, sage ich nicht. Die zweite Frau habe ich nach dem Umbau des heutigen Opec-Fonds-Gebäudes am Parkring verloren. Der Opec-Generaldirektor aus Gabun hat sich nämlich in sie verliebt und mir gesagt, dass er mit ihr eine Weltreise machen will. Ich habe geantwortet, dass sie sich dafür aber von mir scheiden lassen müsste ... und dann hat sie sich scheiden lassen. Die nächste Frau ist bei einer Nasen-OP in einer von mir umgebauten Wiener Privatklinik gestorben. Mit beiden war ich jeweils vier Jahre verheiratet.

Mit welchen Frauen haben Sie Kinder?

Mit meiner ersten zwei Söhne, eine Tochter mit der Schauspielerin Sonja Jeannine und die Jüngste mit der Mausi.

Wer war Ihre große Liebe?

Die erste Frau. Aber ich war oft verliebt, auch oft unglücklich. Es ist nicht immer alles geworden. Gut, jetzt sind wir mit den Ehen durch.

Was ist Ihr Lebensmotto?

Mein Motto ist: Es zählt nur der Erfolg. Ich war Markenführer im Tankstellenbau und Markenführer in der Anzahl der Baustellen im ersten Bezirk.

Auch nicht unbedingt zum Thema Schüchternheit passt, dass Sie sich öffentlich so gerne zur Schau stellen. Warum machen Sie das?

Sie sind hier in der Lugner-City. Wenn Sie da draußen jemanden telefonieren hören, sagt er: Ich bin gerade beim Lugner. Eine Zeitung hat geschrieben, dass ich unsere Sprache versaue, weil die jungen Menschen sagen: Gemma Lugner. Jetzt habe ich das als Werbeslogan verwendet. Für meine Baufirma habe ich nie Werbung gemacht - es gab nur die 35 Lastwägen, die ich jedes Jahr zu Weihnachten neu lackieren hab’ lassen. Ich hatte einen riesigen Namen: Wir waren immer pünktlich, ich habe 700 Leute gehabt, jede Woche sind vier bis sechs Baustellen fertig geworden, die Leute haben wir dann auf andere Baustellen geschickt und sind noch schneller fertig geworden. In der Lugner-City haben wir jetzt wieder ein Umsatzplus von 17 Prozent - und das alles mit kaum einer Werbung.

Haben Sie als 90-Jähriger noch Zukunftspläne?

Momentan sind die Zinsen hoch und ich überlege, ob ich Immobilien kaufen soll. Generell bin ich gerade dabei, Schulden abzubauen, die allerdings gegenüber dem Wert der Lugner-City unbedeutend sind. Aber ich will, dass das meine Erben alles leichter daheben, wenn ich einmal nicht mehr bin.

Herr Lugner, Danke für das sehr persönliche Gespräch!

Gerne - aber jetzt haben wir gar nicht über den Opernball geredet . . .

Das überlassen wir gerne anderen.