"Ich komme immer wieder gerne in meine Wohnung zurück", sagt Eva S. begeistert, während sie ihre Wohnungstüre aufsperrt. Sie ist eine von mehr als zwölf Mietern eines Neubaus in der Meischlstraße im 23. Bezirk in Wien, wo Menschen in ihrem Alter eine neue Bleibe gefunden haben. "Folgen Sie mir, ich zeige Ihnen meine vier Wände."
Eva S. (Name der Redaktion bekannt) geht über den Vorraum in den Wohnbereich, in deren Mitte ein Esstisch steht. Einige Bilder hängen an den Wänden, die an die frühere Wohnung erinnern. Nachdem ihr Mann verstorben war, lebte sie dort noch einige Zeit alleine. Doch das war nicht das Ihre. Sie wollte daher ausziehen; jedoch kam ihr die Pandemie in die Quere. Anfang 2022 ging es dann aber sehr schnell: Innerhalb weniger Wochen zog sie von Atzgersdorf nach Erlaa in eine 50 Quadratmeter große Wohnung, um in einer Gemeinschaft von Gleichaltrigen zu leben. Wie jede Wohnung besteht auch jene von Eva S. hier aus einem gemeinsamen Wohn- und Essraum sowie einem Schlafzimmer; ein barrierefreies Badezimmer gehört standardmäßig dazu, was auch für die 78-jährige Frau sehr wichtig ist, sollte sie in einigen Jahren nicht mehr so gut auf den Beinen sein.

Mehr als 2,3 Millionen Menschen in Österreich sind über 60 Jahre alt. Bereits im Jahr 2030 wird beinahe jeder dritte Bürger älter als 60 Jahre alt sein, bestätigt Samantha Riepl, Geschäftsführerin von Regioplan Consulting und SR Immobilien. "Diese Entwicklung setzt aber Wohnungen und Wohnanlagen voraus, die den Bedürfnissen dieser Generation entsprechen", sagt Riepl.

Die Einbindung in eine Hausgemeinschaft, die Schutz und Geborgenheit bietet sowie der gleichzeitige Rückzug in die eigenen vier Wände sind dabei für die Bewohner wesentlich. Aktivitäten wie Sport, Gedächtnistraining, Lesungen oder Reisen sollten vielfältig sein und auf die Bewohner angepasst werden, die von einer Betreuung mit sozialpädagogischem Hintergrund oder einem Community Manager betreut werden. Auch eine gute Anbindung an die Stadt sowie eine Nahversorgung beziehungsweise ärztliche Versorgung vor Ort sind wichtig. Während im Seniorenwohnen, das heißt beim Betreuten Wohnen, eine intensivere Betreuung im Alltag im Vordergrund steht, fördert ein Generationenwohnhaus gezielt den Zusammenhalt zwischen Jung und Alt im Alltag.
Im gewohnten Umfeld
Während Eva S. ihre Wohnung verlassen hat, um in einer Gemeinschaft von Gleichaltrigen zu leben, gibt es nach wie vor viele in ihrer Generation, die so wie lange wie möglich im "gewohnten Umfeld" bleiben wollen. Betreut werden sie dann oft von einer Hauskrankenpflege und einer Sozialbetreuerin. Sabine Gugenberger ist eine von ihnen, die schon seit mehr als zehn Jahren als Diplomsozialbetreuerin in Wien und Niederösterreich arbeitet und Senioren sowohl in einer Seniorenresidenz als auch über ihr Einpersonenunternehmen betreut. Für sie steht die Erhaltung der Selbstbestimmung und Würde der Klienten, der respektvolle Umgang sowie die wertschätzende Kommunikation bis ins hohe Alter im Vordergrund ihres Tuns.
Von jung bis älter
Besonders wichtig ist ihr auch der Humor und das gemeinsame Lachen mit den betreuten Klienten. Beides schaffe Nähe und Vertrauen. Aus ihrer vertrauten Umgebung sollten sie, wenn möglich, nicht "herausgerissen" werden, meint die 52-Jährige. "Weil besonders für desorientierte Personen kann ein Ortswechsel den Verlauf zum Beispiel einer Demenz verschlimmern."
Im Rahmen ihrer Einzelbetreuung macht sie regelmäßige Hausbesuche und arbeitet mit Ihren Klienten mit Validation, Biographiearbeit, kognitiver und motorischer Aktivierung. "Komme ich in eine Wohnung, entferne ich auch mögliche Stolperfallen und schlage Sicherheitsvorkehrungen, wie die Montage von Handläufen oder Duschsitzen vor", erzählt die Sozialbetreuerin, die gemeinsam mit den Angehörigen auch ein Pflege- und Betreuungskonzept erarbeitet.
Sonnig und freundlich sei sie außerdem, erzählt Eva S. über ihre Wohnung begeistert, die vom fünften Stock auf eine Grünfläche blickt. In der wärmeren Jahreszeit sei sie außerdem öfters am Balkon oder am Dach des mehrstöckigen Hauses, wo sie ihrem grünen Daumen freie Hand lassen kann. Obwohl selbstbestimmtes Leben in diesem Haus im Mittelpunkt steht, wird auf gemeinsame Aktivitäten großen Wert gelegt. Jung und Alt sollen hier zusammenkommen - auch leben hier Menschen aus verschiedenen Bundesländern. Daher seien die Wohnungen auch in einem Wohnhaus untergebracht.
Im Casa-Kindergarten zum Beispiel, der sich im selben Haus befindet, ist Eva S. auch öfters, um etwa den Kindern aus Büchern vorzulesen. "Die Kinder der Kindergärten verbringen gemeinsame Stunden mit den Mietern von Casa Wohnen", erklärt die Sozial- und Alltagsbegleiterin Julia Savic, die mit ihnen regelmäßig Aktivitäten anbietet. Auch gibt es Treffen und Ausflüge - zum Beispiel nach Schönbrunn. Die Dynamik lebe von den Mietern und den Aktivitäten, ist Casa Leben überzeugt - das sich im Eigentum der Caritas der Erzdiözese Wien sowie der Stiftung Liebenau befindet.
Gemeinschaft als Netz
Für Sabine Gugenberger gehört zum Altern in Würde auch viel Abwechslung. Sie kann deswegen dem Modell des Seniorenwohnens sehr viel Positives abgewinnen. Denn gemeinsam wird dort geturnt, gesungen, gerätselt, getanzt, gefeiert; aber auch dafür gesorgt, dass die Bewohner mit Pflege, Mahlzeiten, Reinigung und sozialen Kontakten gut versorgt werden. Die Gründe für einen Auszug aus den eigenen vier Wänden sind ihrer Meinung nach vielfältig: Die einen wollen ausziehen, weil sie daheim nicht mehr putzen oder kochen wollen - die anderen, weil sie nicht mehr alleine wohnen wollen. Auch schnell eine Pflege bei der Hand zu haben, spiele für Menschen im höheren Alter eine nicht zu unterschätzende Rolle, meint die Sozialbetreuerin.
"Bei all unseren Projekten achten wir auf die Einbindung in einen Stadtteil und ins Casa-Netzwerk", erklärt Julia Savic. Eine Apotheke und ein Supermarkt befinden sich im Haus. In Gehweite hält auch die U-Bahnlinie U6. Der Lainzer Tiergarten ist mit einem Bus bequem erreichbar.
Doch nicht nur die Wohnung - auch die Umgebung sei sehr attraktiv für sie, erzählt Eva S., die bewusst allein lebt und schon in ihrem bisherigen Leben gewohnt war, immer wieder eigene Wege zu gehen. Würde ihr Mann heute noch leben, wäre sie nicht hier. Die Kosten für die Wohnung setzen sich daher nicht nur aus der Miete und den Betriebskosten, sondern auch aus einer Leistungspauschale zusammen, welche Begleitung und weitere Aktivitäten von Casa abdeckt - unabhängig davon, ob sie von den Mietern in Anspruch genommen wird oder nicht. Mahlzeiten oder das Reinigen der Wohnung gehören jedenfalls nicht dazu. Für diese Leistungen müssen die Mieter selbst aufkommen; ebenso für eine eventuelle Heimhilfe.
"Um die Aktivitäten des täglichen Lebens meistern und damit die Selbständigkeit so lange wie möglich aufrechterhalten zu können, bedarf es einer gewissen körperlichen, geistigen und sozialen Fitness", ist Thomas Dorner, Public Health-Experte an der Akademie für Altersforschung am Haus der Barmherzigkeit in Wien, überzeugt.
Hightech hebt Lebensqualität
Eine der Herausforderungen der Altersforschung sei es, Wege zu finden, wie die zusätzliche Lebenszeit möglichst selbständig und gesund verbracht werden kann. Auch durch neue Technologien wie etwa einen Staubsaugroboter, der unter anderem von der Akademie erforscht worden ist, sei das möglich. Dieser kann Stürze erkennen und melden. Obwohl er für mehr Sicherheit in den eigenen vier Wänden sorgen kann, wird er die persönliche Begleitung und Betreuung nicht ersetzen, betont der Experte gegenüber der "Wiener Zeitung".
Durch die Pandemie hätten viele Menschen einen Umzug hinausgezögert, heißt es von Casa Leben, das davon ausgeht, heuer mehr Anfragen zu erhalten. "Ich war von Anfang an von dem Wohnkonzept begeistert und möchte die nächsten Jahre hier verbringen", sagt Eva S., während sie sich verabschiedet, da sie noch eine Freundin in der Innenstadt treffen wird. "Jeder muss sich darüber Gedanken machen, wo und wie er sein letztes Lebensdrittel verbringen möchte. Ich will es hier tun."