"Große Neuigkeiten bei den Bezirks- und Sondermuseen" verkündete die Rathauskorrespondenz im Dezember 2019. Bürgermeister, Stadträtin und Direktor des Wien Museums präsentierten "Bezirksmuseen Reloaded". Dazu wurde eine eigene Servicestelle im Wien Museum eingerichtet. Die sollte gemeinsam mit einem "Curatorial Fellowship-Modell - bei Beibehaltung der Autonomie - zu neuen Impulsen in der kulturellen Bezirksarbeit fuhren."

Für das auf drei Jahre anberaumte Projekt wurde das Bezirksmuseumsbudget tüchtig aufgestockt. Von rund 400.000 jährlich auf 809.000. Im Jahre 2022 kamen "für die Jahrestätigkeit der Sammlungspflege und des Facility Managements" weitere 80.000 Euro dazu. Die insgesamt 29 Wiener Bezirks- und Sondermuseen werden bis dato von ehrenamtlichen Leiterinnen und Leitern und deren Teams betrieben. Das soll auch so bleiben. Die Eigenständigkeit der Museen wird jedoch neuerdings in Frage gestellt.

Wenn es nach dem Willen der zuständigen Stadträtin Veronika Kaup-Hasler und der Chefin in der Kulturabteilung des Rathauses, Anita Zemlyak, geht, sollen künftig Budget, Registrierung und Inventarisierung, Öffentlichkeitsarbeit, aber auch die "Kontrolle der Nachweise über Tätigkeiten und Ausgaben der einzelnen Museen" ausschließlich über die sogenannte "Stabstelle Bezirksmuseen" im Wien Museum abgewickelt werden. Auch wird die "Zugangsberechtigung für Mitarbeiter der Stabstelle für alle Depots der Bezirks- und Sondermuseen" gewünscht, wie Kulturabteilungsleiterin Zemlyak dem Vorsitzenden der ARGE Bezirksmuseen Heinrich Spitznagel mitteilt.

Museen haben keine eigene Rechtspersönlichkeit

Die ARGE Bezirksmuseen ist ein eigener Verein, dessen Generalversammlung aus den Leitern der Bezirks- und Sondermuseen sowie jeweils zwei Kustoden je Museum besteht. Und nun wird es kompliziert. Die einzelnen Bezirksmuseen haben keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sehr wohl jedoch die ARGE als Verein. Diesem Verein gehören de iure auch die Objekte in den Museen. Erst wenn sich der Verein auflöst, würden die Sammlungen mit ihren Artefakten, Alltagsgegenständen und Dokumenten an das Wien Museum übergehen. So steht es in den Satzungen. Weder Wien Museum noch Kulturabteilung haben somit direkten Zugriff auf die Bezirksmuseen.

Die Juristin der MA 7 (Kultur) sieht das etwas anders. Sie erklärte im November 2022 den Leitern der Bezirksmuseen, "dass Herr Direktor Bunzl jetzt schon kraft Gesetzes verantwortlich ist für die Bezirksmuseen. Theoretisch könnte er jetzt schon über alle herrschen, er tut das aber nicht." Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Denn das Wiener Museumsgesetz betrifft lediglich "das Historische Museum der Stadt Wien und alle seine Außenstellen". Die Bezirksmuseen gehören nicht dazu. Diese werden nur im §6 der Wiener Museumsordnung kurz erwähnt. Demzufolge könne der Chefkurator des Wien Museums die "Fachaufsicht über die Wiener Bezirksmuseen" innehaben. Dazu müssten die Bezirksmuseen aber verwaltungsrechtlich gesehen Dienststellen einer Behörde sein. Was nicht der Fall ist.

Wie geht es nun weiter? "Nach einer dreijährigen Pilotphase wird das Projekt Bezirksmuseen Reloaded einer umfangreichen Evaluierung unterzogen", wie MA 7-Chefin Zemlyak auf Anfrage mitteilt. Stadträtin Kaup-Hasler ist "mit den bisherigen Ergebnissen der Projekts ‚Bezirksmuseen Reloaded‘ höchst zufrieden." Laut Bericht der Stabstelle wurden in den vergangenen drei Jahren vor allem die Angebote "Teilnahme Fotoprojekt" (27 Mal), Restauratorische Erstbegehung (22 Mal), Weiterbildung (19 Mal) sowie Schädlingsmonitoring und Vermittlung historischer Straßenschilder (je 13 Mal) genutzt.

Von den sechs durch die Stabstelle kuratorisch betreuten Sonderausstellungen wurden vier zu Ende geführt. Das Highlight dabei ist das rekonstruierte Tröpferlbad im Bezirksmuseum Wieden. Hier können Besucher in das nostalgische Gefühl des Brausebades eintauchen. Museumsleiter Philipp Maurer ist denn auch voll des Lobes über die Kooperation mit dem Wien Museum. Für ihn seien "die Beratung und Hilfestellung durch die Experten von Bezirksmuseen reloaded von größtem Wert". Er wünscht sich eine Fortsetzung des Projektes. Ob er damit die Mehrheitsmeinung der Museumsleiter repräsentiert, ist schwer zu sagen. Auf Fragen der "Wiener Zeitung" wollte kaum jemand antworten und die wenigen Rückmeldungen blieben unkonkret.

Bereitschaft zur Kommunikation wird vermisst

Deutliche Worte indes finden Heinrich Spitznagel aus Margareten und Michael Swatosch vom Circus- und Clownmuseum, die bei der Generalversammlung der ARGE Bezirksmuseen im Herbst 2022 mit großer Mehrheit in den Vorstand gewählt wurden. Sie vermissen beim Wien Museum die Bereitschaft, mit der ARGE offen zu kommunizieren. Seit das Budget von der Stabstelle im Wien Museum verwaltet werde, erführe die ARGE nur noch wenig über die konkrete Mittelverwendung.

Für gut die Hälfte der von 2020 bis 2022 für die Bezirksmuseen vom Gemeinderat bewilligten rund 2,5 Millionen Euro fehlten dem ARGE-Vorstand jegliche Informationen. So beispielsweise über die Kosten der neuen Website, in deren Neugestaltung die ARGE gar nicht einbezogen worden sei. Von der MA 7 sei der ARGE im Oktober eine Kooperationsvereinbarung vorgelegt worden, in der "die Interessen der von uns vertretenen Museen - vor allem in Hinblick auf die Unabhängigkeit und einer Mitentscheidungsbefugnis - nicht ausreichend berücksichtigt werden. Des Weiteren sind auch Passagen enthalten, die nicht rechtskonform sind und deshalb korrigiert werden müssen."

Der ARGE-Vorstand habe daher der MA 7 einen Alternativvorschlag unterbreitet. Als Rückmeldung zur Kompromissvariante kam jedoch nur die lapidare Mitteilung, "dass die Kulturabteilung derzeit an einem neuen Konzept für die Bezirksmuseen arbeitet und daher bis auf weiteres keine Förderung für das Jahr 2023 im Gemeinderat beantragt werden kann".

Dies obwohl im November 2021 Wien ein Doppelbudget für 2022 und 2023 beschlossen worden ist, also ausreichend Geld für die Bezirksmuseen vorhanden sein sollte. Sehr wenig Freude mit dem widerspenstigen und selbstbewussten Vorstand hat auch der Direktor des Wien Museums Matti Bunzl. "Ich kann nicht mit Leuten arbeiten, die mich ständig konterkarieren. Das geht nicht. Dann muss ich herrschen", so Bunzl über sein Verhältnis zur ARGE.

In dieser offenbar recht verfahrenen Situation scheint die Vision der ehemaligen Bezirksmuseumsleiterin Ursula Berner in weite Ferne zu rücken. Für sie sollten "die Bezirksmuseen zu Bezirkskulturzentren werden, zu einem gemeinsamen Ort der Grätzelbewohner, mit offenen Räumen und umfänglichem Programm, einem Platz, wo man jederzeit hinkommen kann, um etwas zu erleben, oder eigene Werke und Ideen zu präsentieren." Doch wer weiß, vielleicht gibt es noch ein harmonisches Frühlingserwachen in den Wiener Bezirksmuseen.