Erdgeschoßlokale sind in Wien sehr begehrt. Während der kritischen Jahre der Pandemie waren noch massenhaft Geschäfte eingegangen und hatten verwaiste Auslagen zu ebener Erd hinterlassen. Nun ist die Nachfrage nach freien Geschäftslokalen von 2021 auf 2022 um mehr als 60 Prozent gestiegen. Das bedeutet in manchen Bezirken, dass es mehr Interessenten als entsprechende Lokale gibt.
"Was wir derzeit erleben, ist: Mehr Nachfrage als Angebot, besonders in den innerstädtischen Bezirken", sagt Margarete Gumprecht, Handelsobfrau in der Wirtschaftskammer Wien (WKW). Nach dem Einbruch in der Pandemie herrscht nun offensichtlich Aufbruchstimmung - es wird wieder gegründet und investiert.
Dabei sind es vor allem Geschäftslokale mit kleineren Flächen, die gefragt sind. Die meisten Standortsuchenden wollen ein Geschäftslokal zwischen 33 und 89 Quadratmetern. Im Jahr davor waren es noch Flächen zwischen 40 und 140 Quadratmetern und im Jahr 2017 wurden freie Geschäftslokale mit einer Größe von durchschnittlich 134 Quadratmetern gesucht. Diese Flächen sind derzeit aber schwieriger zu finden, da die Durchschnittsgröße der angebotenen Lokale 267 Quadratmeter beträgt.
"Den Trend zu kleineren Lokalen beobachten wir schon seit einigen Jahren. Immer mehr Unternehmer verfolgen die sogenannte Multichanneling-Strategie, sind also stationär vertreten und bedienen gleichzeitig das Online-Geschäft. Die hohen Energiekosten befeuern den Trend: Je größer das Lokal, desto höher die Energiekosten", erklärt Gumprecht.
Grätzl blühen auf
Die beliebtesten Lagen sind nach wie vor mit Abstand im 6. und 7. Bezirk. Auch der 2. Bezirk ist nach wie vor ein gut nachgefragter Trendbezirk mit wenigen Leerständen - besonders rund um den Karmelitermarkt, die Taborstraße und die Praterstraße. Der beliebteste Außenbezirk ist der 15. mit Nähe zum Westbahnhof und als Alternative zum 6. Bezirk. Deutlich mehr Nachfrage als Angebot an freien Lokalen gibt es in den Bezirken 4 bis 8.
Die größte Diskrepanz zwischen hohem Angebot an freien Lokalen und geringer Nachfrage gibt es in der Landstraße. Dort stagnieren die Zahlen der freien Lokale seit Jahren auf hohem Niveau; der Bezirk ist relativ groß und die Lokale an der Peripherie sind nur schwer zu vermitteln. Der 12., 21., 22. und 23. Bezirk wiederum haben klar mehr freie Lokale als Nachfrage. Die City wiederum profitiert von der Rückkehr der Touristen nach der Pandemie.
Der angenehme stadtpolitische Nebeneffekt des Aufwärtstrends bei Erdgeschoßlokalen: Grätzl blühen auf; die triste Stimmung, die leerstehende Geschäfte verbreiten, weicht. "Modernisierte Erdgeschoßzonen sind nicht nur ein gesellschaftlicher Gewinn - Stichworte Aufenthaltsqualität und verlängerte Wohnzimmer -, sondern auch ein volkswirtschaftlicher", sagt Gumprecht.
Rund 300 Betriebe konnten mit Unterstützung des Teams "Freie Lokale" der WK im Vorjahr in freien Geschäftslokalen angesiedelt werden. Experten der WKW unterstützten mehr als 2.500 neu registrierte Standortsuchende durch Standortanalysen sowie Beratung und Information zu Immobilien - und dies kostenlos.