Es ist beachtlich, was durch unentgeltliche Arbeit von Ehrenamtlichen im Bezirksmuseum Penzing alles erreicht wurde. 1962 in einem ehemaligen Amtshaus gegründet, mauserte es sich nach und nach zu einer "Institution", die weit über die Bezirksgrenzen hinaus Reputation genießt.

Anfangs verfügte das Museum in dem 1873 errichteten Gebäude über bloß zwei Ausstellungszimmer, mittlerweile werden in 24 Ausstellungsräumen auf zwei Etagen mehr als 800 Quadratmeter Ausstellungsfläche bespielt. Zusammen mit den in vier Depoträume untergebrachten Objekten verfügt das Museum heute über rund 75.000 Exponate. Etwa 22.500 Fotografien, 8.000 Negative und 9.000 Dias sind im Bezirksmuseum vorrätig. Die museumseigene Bibliothek hat einen Bestand von rund 5000 nach Sachgebieten geordneten Büchern, weiters beherbergt das Museum eine Reihe von Nachlässen, eine bezirksgeschichtliche Personenkartei und eine umfängliche Briefsammlung. Mit den "Penzinger Museumsblättern" verfügt es über ein reputierliches Publikationsorgan. Das im Keller des Gebäudes untergerbachte Ziegelmuseum ist eine eigenständige Institution.

Am nachhaltigsten geprägt wurde das Bezirksmuseum Penzing in all den Jahren durch das unermüdliche Wirken von Ing. Karl Koller und seiner Ehefrau Rosl Koller, die in Insiderkreisen bis heute ein geradezu legendäres Ansehen genießen. Karl Koller war Gründungsmitglied des Museums und stand diesem fast ein halbes Jahrhundert lang, und zwar von Jänner 1968 bis zu seinem Tod im März 2016, als Leiter vor. Auch Rosl Koller war bis zu ihrem Ableben im Jahr 2014 für das Museum im Einsatz. Das Ehepaar hatte seine private Sammlung in die Museumssammlung eingebracht und diese gemeinsam mit einer Schar von ehrenamtlich tätigen Penzingern über die Jahrzehnte Schritt für Schritt ausgebaut.

Ein Highlight des Bezirksmuseums Penzing ist die historische Greißlerei. Links die Leiterin des Museums Dolores Weber, und rechts dessen langjähriger Leiter bis 2016, Ing. Karl Koller. 
- © Johann Werfring, Martina Lex

Ein Highlight des Bezirksmuseums Penzing ist die historische Greißlerei. Links die Leiterin des Museums Dolores Weber, und rechts dessen langjähriger Leiter bis 2016, Ing. Karl Koller.

- © Johann Werfring, Martina Lex

Seit Februar 2023 leitet Dolores Weber das Museum. Bereits zuvor hatte sie jahrelang im Team mitgearbeitet. Gemeinsam mit weiteren Ehrenamtlichen brachte sie unter dem Reihentitel "Die letzten Geheimnisse Penzings" etliche Bücher mit wohlportionierten Lesestücken heraus, die mit Personen, Gebäuden und sonstigen Besonderheiten, die im Bezirksmuseum Penzing thematisiert werden, in Zusammenhang stehen. Insgesamt 13 Ehrenamtliche kümmern sich derzeit um die Sammlung und um den Betrieb des Museums.

Geschäftszweig "Pfeidlerei"

Gleich beim Eintritt wird das Auge einer pittoresk anmutenden "Ladenstraße" mit diversen historischen Geschäftsauslagen gewahr. Besonders vielfältig ist die Auslage einer sogenannten "Pfeidlerei", wie seinerzeit in Wien die Kurzwarenhandlungen hießen, gestaltet. Zu entdecken gilt es hier neben allerlei Nähzubehör, Spitzen und sonstigen kleinen Dingen aus heutiger Sicht recht kurios anmutende Waren wie einen mit Einwurfbuchse versehenen Sparstrumpf oder eine Bartbinde. Letztere wurde seinerzeit von stolzen Bartträgern nächtens angelegt, damit der sorgfältig gepflegte Bart auch am kommenden Tag seine Form behielt.

Der heute kaum noch vorhandene Geschäftszweig der Pfeidlerei geht, wie in dem von dem "Wiener Zeitung"-Feuilletonisten Robert Sedlaczek herausgebrachten "Wörterbuch des Wienerischen" nachzulesen ist, auf den Mundartausdruck "Pfeid" (auch "Pfoad") mit der Bedeutung "Hemd" zurück.

Während Hemden in unseren Tagen bereits nach kurzer Tragedauer gewechselt werden, war das in einer Zeit, in der man punkto Reinigung noch nicht über so viel Komfort verfügte wie heutzutage, nicht der Fall. Hemden wurden früher oft kragenlos feilgeboten. Dazu konnte man separate Aufsteckkrägen kaufen. Eine Woche lang, und zum Teil noch länger, ging man einst mit demselben Hemd umher. Der auf das frisch gewaschene Hemd aufgesteckte Kragen wurde nach einigen Tagen durch einen anderen Aufsteckkragen ersetzt. Auch solche Dinge gab es in Pfeidlereien käuflich zu erwerben.

Unter den historischen Auslagen der "Ladenstraße" befindet sich neben den Schaufenstern eines Schuhmachers und einer Spielwarenhandlung, einer Fotografenauslage und einer Friseurauslage auch das Schaufenster einer ehemaligen Fingerhuterzeugung. Gleich ums Eck können die Besucher in einer originalen Greißlerei von anno dazumal den Alltag der Großväter und Urgroßmütter erspähen und erschnüffeln.

Die alten Greißlereien, wie man sie bis in die 1970er-Jahre noch vereinzelt antreffen konnte, boten ihren Kunden ein Sinneserlebnis, wie es heute kaum noch vorstellbar ist. Im Gegensatz zum gegenwärtigen Supermarktangebot, das seit geraumer Zeit eine europäische Uniformität aufweist, konnten die seinerzeitigen Greißler in vielen Fällen noch auf individuelle Kundenwünsche eingehen. Das auf engem Raum zusammengedrängte Angebot wirkte einerseits im Gesamterscheinungsbild äußerst pittoresk, andererseits emittierten die zu jener Zeit noch nicht steril verpackten Handelsgüter mannigfaltige Düfte, woraus sich ein interessanter Geruchscocktail ergab.

Die originale Einrichtung stammt von einer Greißlerei aus dem Waldviertler Ort Höhenberg bei Gmünd; die zahlreichen Verkaufswaren wurden von den ehrenamtlichen Mitarbeitern in jahrelanger Kleinarbeit zusammengetragen. Vom Zuckerl bis zum Petroleum gab es in solchen Greißlereien buchstäblich alles für den alltäglichen Lebensbedarf. Falls etwas nicht vorrätig war, wurde es bis zum nächsten Tag aufgetrieben.

Der "Kerzenschneutzer"

Bei den Führungen können die Besucher die Hintergründe zu allerlei in der Greißlerei vorfindlichen Verkaufswaren erfahren. Ein erklärungsbedürftiges Objekt ist beispielsweise der "Kerzenschneutzer", wie einst Dochtscheren (auch Lichtputzscheren) in Wien genannt wurden. Jahrhundertelang hatte man die gewöhnlichen Kerzen aus Talg hergestellt, der aus dem Körperfett von Wiederkäuern gewonnen wurde. Mit der Lichtputzschere wurde die Kerze regelmäßig "geschneutzt", weil diese umso mehr zu Rußen begann, je länger der Docht wurde. Das Auffangen des Dochtes in der an der Schere befindlichen Kammer war vonnöten, weil ein Hinunterfallen desselben die Kerze womöglich zum Erlöschen gebracht hätte. Auch die Beschaffenheit des Dochtes, der einst noch nicht so ausgereift war wie heute, erforderte ein ständiges Lichtputzen respektive "Schneutzen" der Kerze.

"Eismänner" bei der Anlieferung von Eisblöcken (l.) und ein "Eiskasten" im Bezirksmuseum Penzing. 
- © Bezirksmuseum Penzing, Johann Werfring

"Eismänner" bei der Anlieferung von Eisblöcken (l.) und ein "Eiskasten" im Bezirksmuseum Penzing.

- © Bezirksmuseum Penzing, Johann Werfring

In einer im Museum ausgestellten Küche, die nach ihrem Erscheinungsbild in die unmittelbare Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu datieren ist, gibt es ein Kühlgerät, das damals sehr verbreitet war, heute jedoch nur noch dem Namen nach bekannt ist. Mitunter wird der Kühlschrank ja in Wien auch heute noch als "Eiskasten" bezeichnet. Bei dem in der Museumsküche vorhandenen Kühlgerät handelte es sich tatsächlich noch um einen Eiskasten im buchstäblichen Sinne. Wenn die "Eismänner" seinerzeit das Eis mit ihren Pferdefuhrwerken, oder später mit Lastwägen zu den Wirten, Fleischhauern und Greißlern brachten, damit diese ihre Lebensmittel damit frisch halten konnten, dann läuteten sie bei deren Eintreffen mit einer Glocke, damit auch alle anderen Wiener im Umkreis dieser Betriebe auf sie aufmerksam wurden. Die rund einen Meter langen Eisblöcke waren eigentlich für die größeren Eisschränke der Gewerbebetriebe ausgerichtet. Privaten Einkäufern hackten die Eismänner auf der Gasse entsprechende Stücke von diesen Stangen ab, die in die Eiskästen der bürgerlichen Haushalte hineinpassten. Von deren Blechwannen aus strahlte die Kälte eine Zeit lang auf das daneben befindliche Lagerfach aus, ehe wieder Eis nachgefüllt werden musste. Das Schmelzwasser konnte über einen Hahn abgelassen werden.

Die Breitenseer "Riesin"

Den einstmals eigenständigen, großteils gegen Ende der Habsburgermonarchie, teils erst später nach Wien eingemeindeten Dörfern Penzing, Breitensee, Baumgarten, Hütteldorf und Hadersdorf-Weidlingau ist jeweils ein separater Raum gewidmet. An eine Vielzahl von Objekten knüpft sich eine Vielzahl an Geschichten. In Breitensee etwa gab es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das "Gasthaus zur Riesin", von dem im Museum ein Foto gezeigt wird.

Wie ein Penzinger Heimatkundler überliefert, waltete dort eine Wirtin, "die von ganz außerordentlicher Größe und von einem seltenen Umfange war". Die Spezialität des Hauses waren kindskopfgroße Riesenknödel, zu denen Altwiener Speisen wie Bruckfleisch oder Geselschtes serviert wurden. Es hieß, dass sich eine dreiköpfige Familie an einer einzigen Portion satt essen konnte. An den Wänden der Gastzimmer gab es diverse Sprüche zu lesen. Einer davon lautete: "Gestern hab ma Knödl g’habt / Heut’ hab mas a, / Morg’n kriag mas wieda / Und übermorg’n a." Die Penzinger "Riesin" kannte man einst in ganz Wien und die Volkssänger priesen sie und ihre Knödeln: "Ein Hoch der Riesenwirtin / die immer freundlich lacht / und die besten, schönsten, / größten Knödl macht!" Nach der Eingemeindung von Breitensee nach Wien wurde in den Jahren 1896 bis 1898 an der Stelle dieses Gasthauses die bis heute bestehende Breitenseer Pfarrkirche gebaut.

Über die zahlreichen Objekte gäbe es noch viel Interessantes zu berichten. Das Museum mehrmals zu besuchen, ist auf alle Fälle lohnend.

Print-Artikel erschienen am 18. März 2023
In: "Wiener Zeitung", S. 19