Eine Woche nach der gewaltsamen Auflösung eines Protests gegen die Europäische Gaskonferenz in der Wiener Innenstadt durch die Polizei haben mehrere Organisationen am Montagabend zu einer Solidaritätsdemo aufgerufen. Das Motto der angemeldeten Kundgebung lautet: "Kriminalisierung sozialer Bewegungen stoppen!" Diese Kriminalisierung habe rund um die Gaskonferenz ein neues Level erreicht, kritisierte das Bündnis "BlockGas". Demo-Start war um 17.45 Uhr am Ballhausplatz.
Die Veranstalter haben die Demo für 1.000 Personen angemeldet. Laut Polizei waren es kurz vor 19.00 Uhr 150 bis 200 Teilnehmer und es gab bisher keine Zwischenfälle. Seitens der Landespolizeidirektion hieß es im Vorfeld, man sei darauf eingestellt und mit ausreichenden Kräften gerüstet. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) ließ am Montag am Rande eines Medientermins in der Bundeshauptstadt Kritik am letztwöchigen Einsatz der Exekutive nicht gelten. Die Polizei habe "exzellente, hervorragende Arbeit geleistet", betonte Karner. Es habe neben friedlichen Kundgebungsteilnehmenden auch "gewaltbereite Demonstranten" gegeben, konstatierte der Minister. Dagegen sei die Exekutive "entsprechend vorgegangen".
An der Kundgebung am Montagabend beteiligten sich Organisationen wie Attac, "Extinction Rebellion", "Erde Brennt", "Big Sibbling", "Omas gegen Rechts" und "System Change, not Climate Change". Neben dem Bündnis "BlockGas" werden Vertreterinnen und Vertreter von "LobauBleibt" sowie eines französischen Umwelt-Protestbündnisses Reden halten. Auch Greenpeace rief am Montagvormittag in einer Aussendung zur Teilnahme auf. "Friedlicher und gewaltfreier Protest ist eine der Grundsäulen funktionierender Demokratie und muss entsprechend geschützt werden", betonte Adam Pawloff, Programmdirektor bei Greenpeace Österreich.
Die Exekutive hatte am vergangenen Montag eine nicht angemeldete Kundgebung des internationalen Bündnisses "BlockGas" teils gewaltsam aufgelöst. Die Polizei habe Demonstrierende eingekesselt, sei "sehr aggressiv" vorgegangen und habe "unverhältnismäßig Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt", kritisierte danach auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Österreich.
Die Polizei begründete den Waffeneinsatz damit, dass zwei Beamte verletzt worden waren und die Aktivisten versucht hätten, gewaltsam zum abgesperrten Tagungshotel an der Ringstraße vorzudringen, wobei sich einige von einer Baustelle Steine und anderes Material besorgt haben sollen. Mehr als 140 Personen wurden festgenommen, auch der Paragraf 274 StGB "schwere gemeinschaftliche Gewalt" wurde angezeigt. Mit dem gefährlichen Strafrechts-Paragraphen 274 versuche die Polizei ganze Demonstrationen zu kriminalisieren und beschneide damit deren Recht auf Versammlungsfreiheit massiv, warnte "BlockGas" in dem Demo-Aufruf.
Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl sagte in der ORF-Sendung "Wien heute", dass bei dem letzten Einsatz vor einer Woche "kein Fehlverhalten" der Polizistinnen und Polizisten feststellbar gewesen sei. Denn es hätten sich Menschen auf dieser Demo eingefunden, die sich im Vorfeld bereits ihre Fingerkuppen unkenntlich gemacht hätten, damit keine Fingerabdrücke genommen werden könnten, sich vermummt und Schutzbrillen und Schirme als Schutz vor Reizgas genommen hätten, um dann die Sperrketten zu durchbrechen. Bei der Anhaltung hätten sie "nicht kooperiert, keine Identitäten preis gegeben und im Polizeianhaltezentrum keine Aussagen gemacht", so Pürstl. "Und da frage ich mich, was man von solchen Menschen halten soll. Friedlich war da überhaupt nichts", sagte der Polizeipräsident im Interview. "Wir haben bei der Wiener Polizei eine ganz klare Strategie. Auf der einen Seite garantieren wir Versammlungsfreiheit, schützen Versammlungen und Versammlungsteilnehmer. Auf der anderen Seite ist es auch ganz klar, dass wir gegen Ausschreitungen, Randale, Verletzungen von Polizeibeamten, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Durchbrechen von Sperrketten, das Crashen von Konferenzen ganz entschieden vorgehen und solche Ansätze im Keim ersticken", sagte Pürstl.
Kurz vor Beginn der Demonstration am heutigen Montag meldete sich Amnesty International neuerlich zu Wort und äußerte Besorgnis über die "Kriminalisierung von Protestbewegungen und Aktivist*innen." Dabei seien Proteste in einer Demokratie neben Wahlen das wichtigste Mittel, einer Meinung kollektiv Ausdruck zu verleihen. Was das Vorgehen der Exekutive vor einer Woche betrifft, betonte Teresa Exenberger, Juristin bei Amnesty International Österreich, dass die im Raum stehenden Vorwürfe wirksam untersucht werden müssen. "Umso befremdlicher wirken die bereits unmittelbar nach dem Einsatz getätigten lobenden Worte des Innenministers zum Vorgehen der Polizei. Das stärkt nicht unbedingt das Vertrauen, dass solche Vorgänge unabhängig untersucht werden." (apa)