Die vom 1. Mai bis 2. November 1873 im Pratergebiet abgehaltene Wiener Weltausstellung hat sich in mancherlei Hinsicht bis heute ins kollektive Gedächtnis und mit Bezeichnungen wie Rotundenplatz, Rotundenallee oder Südportalstraße (als einstige Zufahrt zum Südportal der Rotunde) auch in die Topografie Wiens eingeschrieben. Nachdem ab dem Jahr 1859 mit atemberaubendem Tempo ein beispielloses Megaprojekt aus dem Boden gestampft worden war, womit die bis dahin abgehaltenen Pariser und Londoner Weltausstellungen an Inhalt und Größe bei weitem übertroffen wurden, stand im Zentrum des riesigen Areals – als ein neues Wahrzeichen Wiens – die Rotunde, die damals mit 108 Meter Durchmessern der weltweit größte Kuppelbau gewesen ist. Über die Rotunde und eine 800 Meter lange Maschinenhalle hinaus befanden sich 194 Pavillons auf dem Gelände der Weltausstellung. Es war gewissermaßen eine "Stadt in der Stadt" entstanden.
Obwohl man das ganze Projekt mit einem finanziellen Riesenaufwand umgesetzt hatte, war der größte Teil der Bauten von vornherein nur als temporäre Installation konzipiert. Während alles andere bald nach Ausstellungsende abgerissen wurde, sollten einige größere Objekte zumindest eine Zeit lang weitergenutzt werden. Am 22 Juli 1875 genehmigte Kaiser Franz Joseph in einer schriftlichen Note die Erhaltung und fernere Nutzung der Rotunde und der Maschinenhalle auf die Dauer von fünf Jahren. Die beiden bei der Weltausstellung zum Zwecke der Präsentation von Kunst errichteten "Pavillons des amateurs" am Rande des Areals hingegen sollten nach dem Willen des Monarchen zehn Jahre bestehen bleiben. Während die Rotunde und die große Maschinenhalle im Gebrauch für Zwecke des Finanz- und Handelsministeriums vorgesehen waren, sollten die "Pavillons des amateurs" vorzugsweise als Bildhauer-Ateliers verwendet werden.
Reminiszenz an die Rotunde
Heute sind nur noch ganz wenige bauliche Relikte der Weltausstellung vorhanden. Die Rotunde überstand zwar weitaus mehr als die zunächst von Franz Joseph genehmigten Jahre und diente nach dem Niedergang der Habsburgermonarchie als Messezentrum, brannte jedoch im September des Jahres 1937 ab, weshalb in situ heute nur noch die erwähnte Straßen- und Platzbezeichnung an sie erinnern. Nahe der Prater Hauptallee befindet sich bis heute der "Konstantinhügel", der mit dem beim Bau der Rotunde angefallenen Aushubmaterial aufgeschüttet worden war. Benannt ist er nach dem Obersthofmeister Konstantin zu Hohenlohe-Schillingfürst, der bei der Bauleitung der Wiener Weltausstellung von 1873 eine wichtige Rolle gespielt hatte. Auf dem Konstantinhügel befand sich einst ein Kaffeehaus, das der Gastronom und Hotelier Eduard Sacher dort hatte errichten lassen. Bereits vor Eröffnung der Wiener Weltausstellung war es im Mai 1871 in Betrieb gegangen; im Jahr 1977 brannte das Lokal ab.
Die beiden erwähnten "Pavillons des amateurs" sind nach wie vor vorhanden, sie firmieren heute als "Praterateliers" und befinden sich zwischen der Trabrennbahn Krieau und dem Ernst-Happel-Stadtion. Die Präsentation von Kunst im großen Umfang war eine Besonderheit der Wiener Weltausstellung von 1873. Bei den zuvor in London und Paris gezeigten großen Weltausstellungen hatte das Kunstthema nicht annähernd eine derart wichtige Rolle gespielt wie in Wien. Man setzte sich also im Prater als eine Kulturnation ersten Ranges in Szene.
Die Wiener Weltausstellung von 1873 wies einen weitläufigen, von dem Architekten Carl von Hasenauer ersonnenen Kunstbezirk auf, der aus einer langgezogenen Kunsthalle und den beiden "Pavillons des amateurs" bestand. Die beiden Pavillons sollten der Präsentation privater Kunstsammlungen vorbehalten sein, daher die spezielle Bezeichnung. Letztlich wurden diese Pavillons großteils mit Exponaten zeitgenössischer Kunst der teilnehmenden Länder bestückt. Zudem gab es kunsthistorische Sammlungen zu bewundern, unter denen im südlichen Pavillon Objekte aus Klostersammlungen wie der Verduner Altar aus dem Stift Klosterneuburg, der Tassilokelch aus dem Stift Kremsmünster und die Renaissanceobjekte aus der Sammlung Anselm Rothschild die kostbarsten Ausstellungsstücke waren. Ansonsten waren – nach Ländern gruppiert – Kunstobjekte aus dem Ausland auf die beiden Pavillons verteilt.
Während die heute nicht mehr vorhandene Kunsthalle architektonisch vergleichsweise nüchtern und beinahe schmucklos gestaltet war, hatte man die beiden "Pavillons des amateurs" mit stattlichen Säulenvorhallen und hoher Freitreppe gestaltet. Die Planung der Pavillons wird Carl von Hasenauer, dem Chefarchitekten der Wiener Weltausstellung von 1873, zugeschrieben. Die im Hasenauer-Nachlass in der Wiener Albertina verwahrten Pläne der Pavillons können laut dem Architekturhistoriker Matthias Boeckl indes "nicht mit letzter Sicherheit diesem Architekten alleine zugeschrieben werden", zumal sie – im Gegensatz zu anderen dort aufliegenden Plänen – nicht signiert sind. Jedoch, so Boeckl, "dokumentieren sie wohl dennoch seine Konzeption auf repräsentative Weise".
Künstler mit großen Namen
Zwischen den beiden Pavillons bilden vier bis heute bestehende, bei der Wiener Weltausstellung gepflanzte Platanen ein Karree, in dessen Mittelpunkt sich bei dem kaiserzeitlichen Event ein Zierbrunnen befand, der heute nur noch andeutungsweise auf der Grasfläche wahrnehmbar ist. Auch die einst auf den beiden Pavillons vorhandenen figuralen Gebäudebekrönungen sind nicht mehr vorhanden.
Infolge der Nachnutzung der beiden "Pavillons des amateurs" als Künstlerateliers ergaben sich im Lauf der Zeit diverse Umbaumaßnahmen und technische, für den Betrieb der Ateliers notwendige Nachrüstungen. Unter anderem war es erforderlich, in bestimmten Bereichen mit dutzenden Mauerpfeilern im Untergeschoss die Böden zu verstärken, damit die Bildhauer auch gewichtige Monumentalplastiken bearbeiten konnten. Während der nördliche Pavillon im Zweiten Weltkrieg durch einen Bombentreffer schwer beschädigt und nach 1945 in zeitgemäßen Formen wiederaufgebaut wurde, blieb der südliche Pavillon mit seinen korinthischen Säulen weitgehend unversehrt. Infolge der für die künstlerische Nutzung erforderlichen Einbauten von Trennwänden, der Schaffung von diversen Durchbrüchen, Öffnungen und sonstigen Adaptierungen weicht der Zustand im Gebäudeinneren jedoch auch im Südpavillon von der Originalgestalt heute zum Teil erheblich ab.
Unter den bislang in den Praterateliers tätigen Künstlern haben sich nicht wenige einen großen Namen gemacht. Zu ihnen zählen etwa Gustinus Ambrosi, Tina Blau, Bruno Gironcoli, Alfred Hrdlicka, Oswald Oberhuber, Karl Prantl oder Ulrike Truger. Während früher die Ateliers auf Lebenszeit vergeben wurden, können sie heute für maximal 15 Jahre angemietet werden.
Das wildromantische Gelände rund um die beiden Pavillons ist von allerlei Bäumen, Sträuchern, Wildkräutern, Königskerzen und sonstigen Pflanzen bewachsen. Dem Vernehmen nach bietet dieses Umfeld auch einer Anzahl von Wildtieren einen Lebensraum. Zu diesen zählen neben Vögeln und Mardern auch Dachse, Wildkaninchen und Füchse, zudem soll dort zeitweise sogar ein Rehbock gesichtet worden sein. In jüngerer Vergangenheit haben professorale Ateliermieter das Gartenidyll zuweilen auch für gemeinsame Feiern mit ihren Studenten genützt.
Bis zu einem gewissen Grad wird die Beschaulichkeit im Bereich der Praterateliers bald durch die bevorstehende Restaurierungsarbeiten beeinträchtigt sein. Mithilfe eines EU-Aufbauplans werden die Pavillons nämlich demnächst generalsaniert. Es stehen dafür rund 11 Millionen Euro an EU-Mitteln zur Verfügung. Gewisse Trockenlegungsmaßnahmen wurden kürzlich bereits in Angriff genommen. Ende 2024 sollen die Arbeiten abgeschlossen und die Bildhauerateliers des Bundes von den Künstlern in neu renovierter Form genutzt werden können. Bis zur Intensivierung der Sanierungsarbeiten im Herbst kann das Gelände rund um die Praterateliers im Rahmen einer von Timo Riess gegründeten und vom "Verein Architekturerbe Österreich" getragenen Initiative zu bestimmten Zeiten besucht werden (Info und Anmeldung unter www.architekturerbe.at). Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, wie im Falle der Praterateliers, historisch bedeutsame Architektur, die ansonsten außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung steht, für ein interessiertes Publikum zugänglich zu machen, wobei die jeweiligen Objekte von Experten kommentiert werden.
Die milchgierigen Wiener

Links der Originalzustand des einstigen "American Pavillons" der Wiener Weltausstellung und rechts der heutige Zustand von "Holzdorfers Meierei" mit seitlichen Zubauten. Der bekrönende amerikanische Adler hat seine Schwingen mittlerweile verloren, soll aber demnächst erneuert werden.
- © Archiv Sabine Holzdorfer (l.), Johann WerfringEin weiteres Weltausstellungsrelikt ist ebenfalls noch in situ vorhanden, und zwar an der Prater Hauptallee Nr. 3. Es handelt sich um ein Café-Restaurant mit Biergarten, das unter der Bezeichnung "Holzdorfers Meierei" firmiert. Das Gebäude ließen John Bedford und Leopold Weiß für die Wiener Weltausstellung 1873 als "American Pavillon" errichten. Serviert wurden dort – für damalige Verhältnisse vollkommen exotische – "American Drinks". Im Jahr 1880 übernahm Emil Wille den Betrieb und schenkte neben alkoholischen Getränken Limonade und Mineralwasser aus. Der nachfolgende Besitzer Leo Mattoni bot überhaupt nur noch Mineralwasser an, und auch in weiterer Folge blieb der Alkohol hier ausgespart, denn im Jahr 1924 übernahm die Wiener Molkerei den Pavillon und bot fortan ausschließlich Milch und saure Milch an. Um diese Spezialisierung zu verstehen, muss man wissen, dass seit der ausgehenden Kaiserzeit Milchtrinkhallen respektive "Meiereien" mit Milchangebot in Wien stark verbreitet waren. Infolge der Eingemeindung der umliegenden Dörfer gab es in Wien Ende des 19. Jahrhunderts rund 700 Milchmeier, wie die Kühe haltenden Wiener Bauern genannt wurden. Eine nicht geringe Anzahl von ihnen verkaufte Milch in "Meiereien". Besonders in der Zeit nach den Weltkriegen gierten die Wiener regelrecht nach der lange nicht verfügbaren Milch. Sogar im Jahr 1955 gab es in Wien noch 22 Milchtrinkhallen respektive Meiereien, von denen einige wenige in Form von Restaurants – auch dem Namen nach – übrig geblieben sind.
Zurück zum einstigen "American Pavillon" im Prater: Diesen erwarb im Jahr 1941 der legendäre "Praterkönig" Fritz Holzdorfer, der im Wurstelprater schon zu Kaisers Zeiten als innovativer Unternehmer in Erscheinung getreten war. Der Krieg war an dem Pavillon nicht spurlos vorübergegangen. Holzdorfer restaurierte ihn und schenkte noch eine Zeit lang Milch aus, daneben servierte er Eis und Kuchen. Nach und nach wurde das Speisen- und Getränkeangebot erweitert. Heute wird der Betrieb mit viel Umsicht von Sabine Holzdorfer als charmantes Ausflugslokal mit solider Küche und verführerischem Mehlspeisenangebot geführt. Die während der Corona-Zeit abgekommene, von den Stammgästen überaus geschätzte "Haustorte" soll es demnächst wieder geben, sagt Sabine Holzdorfer.
Silvia Lang, Präsidentin des Praterverbandes, die in Holzdorfers Meierei selbstredend zu den Stammgästen zählt, weiß zu berichten, dass die Wiener Weltausstellung auch die Struktur des Wurstelpraters beträchtlich veränderte und sich dort nachhaltig bis zum heutigen Tag auswirkt. Aus diesem Grund hat sie für die Pratersaison 2023 im Wurstelprater geführte Rundgänge zum Thema Weltausstellung organisiert (Info und Anmeldung unter www.prater2023.at).
Hochzeit im Schulgarten
Als ein weiteres Gebäude von der Wiener Weltausstellung hat sich in dem für die Öffentlichkeit zu gewissen Zeiten zugänglichen "Schulgarten Kagran" ein Pavillon erhalten. Da im beschaulichen Schulgarten zuweilen auch Hochzeiten organisiert werden, dient der schmucke Pavillon heute vielfach als Kulisse, wenn es darum geht, Brautpaare oder kleine Hochzeitsgesellschaften abzulichten (Info unter Tel. 01/4000/8042).

Als weiteres Relikt der Weltausstellung ziert ein Mosaik den zwischen den Gebäuden Stubenring 3 und 5 befindlichen Wiener Minervabrunnen. Es befand sich einst an einem Weltausstellungsgebäude und wurde nach der Ausstellung dorthin übertragen.
In den Grazer Stadtpark schließlich wurde der einstmals für die Wiener Weltausstellung gestaltete Kaiser-Franz-Joseph-Brunnen übertragen, wo er heute noch steht. Die Stadt Graz hatte ihn um die beträchtliche Summe von 34.000 Gulden erworben. Aus Wiener Sicht freilich ist es jammerschade, dass der wunderschöne, reich mit Figuren geschmückte Brunnen nicht am Donaugestade geblieben ist.
Print-Artikel erschienen am 27. Mai 2023
In: "Wiener Zeitung", S. 18–19