Zuweilen wird in Wien auch heute noch der Kühlschrank als "Eiskasten" bezeichnet. Diese Benennung, die für das moderne Haushaltsgerät streng genommen gar nicht zutreffend ist, stammt aus jener Zeit, als das weiß lackierte Kühlmöbel noch nicht mit Elektrizität ausgestattet war, sondern händisch mit Eis befüllt wurde.

Eine typische Wiener Straßenszene von anno dazumal: Lieferanten der Eisfabrik versorgen Gewerbebetriebe und Privathaushalte mit Blockeis. - © Bezirksmuseum Penzing
Eine typische Wiener Straßenszene von anno dazumal: Lieferanten der Eisfabrik versorgen Gewerbebetriebe und Privathaushalte mit Blockeis. - © Bezirksmuseum Penzing

Schon lange vor dem Ersten Weltkrieg gab es im Brigittenauer Ortsteil "Zwischenbrücken" (im heutigen Kreuzungsbereich Dresdner Straße, Traisengasse) eine Eisfabrik, wo – bis in die 1970er Jahre – Eisblöcke hergestellt wurden. Von dort brachten Lieferanten, zuerst per Pferdefuhrwerk, später mit Lastkraftwagen, das Eis in Blockform zu Wirten, Fleischhauern, Greißlern und weiteren Gewerbebetrieben, für die es ein Erfordernis war, Lebensmittel länger frisch zu halten.

Straßenverkauf mit Glocke

Der Eiskasten war der Vorläufer des modernen Kühlschranks. - © Johann Werfring
Der Eiskasten war der Vorläufer des modernen Kühlschranks. - © Johann Werfring

Wenn die Eismänner bei einem Wirt (oder einem anderen Großabnehmer) eine Lieferung tätigten, so läuteten sie vor dem Wirtshaus mit einer Glocke, damit auch alle anderen Wiener Bürger im Umkreis auf sie aufmerksam wurden. Nach und nach erschienen sodann Hausfrauen und Dienstboten, um sich mit gefrorenem Wasser für ihre Eiskästen zu versorgen. Die zirka einen Meter langen Eisblöcke waren zwar für die größeren Eisschränke der Gewerbebetriebe ausgerichtet, wo sie unzerkleinert hineinpassten, jedoch wurden auch die herbeigeeilten Privatkunden je nach Bedarf versorgt. Mit Eispickeln zerhackten die Lieferanten ihre Eisblöcke in kleinere Stücke, die auch in den Eiskästen der bürgerlichen Haushalte Platz fanden. Karl Koller, Leiter des Bezirksmuseums Penzing, kann sich noch gut daran erinnern, wie er sich in jungen Jahren auf die Eismänner freute: "Für uns Kinder war es vor dem Zweiten Weltkrieg immer etwas Besonderes, wenn auf der Straße Eis verkauft wurde. Als die Männer die Blöcke zerhackten, fielen immer kleine Eisstücke und -splitter auf die Straße. Wir Kinder rauften uns um diese erfrischende Delikatesse. Dass das Eis bereits reichlich mit Straßenschmutz bekleckert war, spielte dabei keine Rolle."

Eisblöcke aus Donauwasser

Der Eiskasten - eigentlich war es ja nur ein Kasterl - ließ sich an seiner Oberseite öffnen. Dort füllte man das Eis in eine Blechwanne, von wo die Kälte in den daneben befindlichen Lagerraum ausstrahlte. An seiner Vorderseite befand sich zum Befüllen und Entnehmen des Kühlgutes eine gut schließende Tür. Das geschmolzene Wasser konnte unten mittels eines kleinen Hahns abgelassen werden. Der Standort der Eisfabrik in Wien-Brigittenau war kein Zufall. Bereits zu Zeiten der Monarchie hatte man im Winter an der Donau Eis abgebaut und dort zur weiteren Umverteilung zwischengelagert. Auch später, als die Eiserzeugung industriell erfolgte, erwies sich diese Lage als vorteilhaft, zumal man das in großen Mengen benötigte Wasser stets aus dem nahe gelegenen Donaustrom entnahm.

Bezirksmuseum Penzing
Eiskasten – Ein bürgerliches Kühlmöbel
1140 Wien, Penzinger Straße 59
Mi 17–19 Uhr, So 10–12 Uhr, Eintritt frei
Gruppenführungen auf Anfrage
Tel. 01/897 28 52

Print-Artikel erschienen am 21. Juni 2007
in der Kolumne "Museumsstücke"
In: "Wiener Zeitung", Beilage "ProgrammPunkte", S. 7