Wien. "Ich hätt vor Wut im Auto losheulen können!" Barbara C. ist Pendlerin aus Niederösterreich. Ihren Arbeitsweg hat sie bisher mit dem Auto in den 16. Bezirk zurückgelegt. Mit dem "historischen" Montag, an dem das Parkpickerl nicht nur für den 16. Bezirk eingeführt wurde, war dann alles anders. "Dass es so schlimm werden würde, hätte ich mir nicht gedacht", sagt sie. Verzweifelt kurvte sie bei der U6 auf der Suche nach einem Parkplatz. "Hier ist die Hölle los", beschreibt sie den Morgen. Mit Handy am Ohr die U6 suchend - der schlussendlich gefundene Parkplatz ist irgendwo - ruft sie ihren Chef an. Sie wird sich verspäten und das nicht bloß um 15 Minuten.

Was für Barbara C. ein Nachteil ist, ist für Thomas W. ein Vorteil. Er wohnt im 16. und wird in den nächsten Wochen sehen, ob er die angemietete Garage nebenan aufgeben kann und sich stattdessen ein Parkpickerl nimmt. Denn bis jetzt hatte er am Abend auf der Straße keinen Parkplatz mehr gefunden. "Es ist sensationell", ruft Doris Rittberger von dem Stadt-Projekt WildUrb, welches Fußgänger-Strecken in der Stadt entdeckt. "Der ganze 15. Bezirk ist plötzlich leer", sagt sie. Wie wenn es August wäre. Auf der Homepage der WildUrbs geht es rund, denn die Frage ist aufgetaucht, was man denn jetzt mit diesen vielen Parkplätzen alles anstellen könnte. "Bäume pflanzen", "mehr Schanigärten" oder "einfach Rasen verlegen" lauten die Anregungen. Auffallend war für Rittberger ebenfalls, dass weniger Autos herumkreisen. Die Straßen seien jetzt für Schulkinder sicherer. Sie vermutet, dass der 10., 13. und 18. Bezirk jetzt zugeparkt werden. "Das sind dann die nächsten, die nach einem Parkpickerl schreien", sagt Rittberger zur "Wiener Zeitung".
476.000 Jahreskarten
Die Auswirkungen des eingeführten Parkpickerls sind also höchst unterschiedlich. Tatsache ist aber, dass damit die öffentlichen Verkehrsmittel stärker genutzt werden. Die Wiener Linien haben mit Stichtag Montag 476.000 Jahreskarten-Besitzer. Allein im September sind 13.000 Neukunden dazugekommen. Vergleichsweise dazu hatten sie im Jahr 2010 im ganzen Jahr 10.000 Neukunden. "Es geht im hohen Tempo hinauf. Das ist auch für uns ein Rekord", so die Wiener Linien. Als "schwere Niederlage für die Lebensqualität" bezeichnete der Klubobmann der Grünen in Währing, Marcel Kneuer, die fehlende Einführung des Parkpickerl in seinem Bezirk: "Während sich die Menschen in den meisten Westbezirken über viele freie Plätze im Straßenraum freuen und schon von mehr Bäumen und Radwegen und weniger Lärm träumen, ist in Währing genau das Gegenteil eingetreten", so Kneuer. Bereits am Sonntagabend sei in ganz Währing fast kein Parkplatz mehr zu finden gewesen - durch die vielen Parkplatzsuchenden sei es auch viel lauter gewesen als sonst. "Und heute Morgen haben verparkte Grünflächen, in zweiter Reihe und an Straßenecken illegal abgestellte Autos gezeigt, dass alle Befürchtungen rascher als angenommen Realität geworden sind." Kneuer fordert die Einführung der Parkraumbewirtschaftung auch im 18.
Für die Unzufriedenen haben die Stadt Wien und die Wiener Wirtschaftskammer eine Aktion gestartet: Die Garagenbetreiber bieten in 80 Wiener Garagen rund 3600 Stellplätze an, die um bis zu 30 Prozent preisreduziert sein sollen. Die Anmeldung erfolgt unter www.wien.gv.at/verkehrs/parken/garagen/aktion. Die Rabatte sollen für Dauer- oder Nachtparker gelten.
Vergessen kostet 36 Euro
Unterdessen erhalten alle Autofahrer, die in den neuen Bezirken noch kein Pickerl haben bis Mittwoch eine Schonfrist. Das gilt im Übrigen auch für jene, die vergessen, ihren Parkschein auszufüllen. Sollten Pickerl oder Parkschein ab Donnerstag noch immer fehlen, wird allerdings eine Strafgebühr von 36 Euro fällig.