Wien. "Wenn bei uns stärker ins Bewusstsein gerückt werden könnte, dass ein Tier sterben muss für das Stück Fleisch auf unserem Teller, dann würden wir es vielleicht mehr zu schätzen wissen", erklärt Wolfgang Wetscherek, Experte für Tierernährung, tierische Lebensmittel und Ernährungsphysiologie, der "Wiener Zeitung".

Denn laut seiner Meinung ist bei den Konsumenten - vor allem in der Stadt - das Wissen darüber verloren gegangen, wie eine Wurst entsteht und dass sie letztendlich von einem Schlachtkörper stammt, der wiederum einmal ein lebendes Tier war. "Man sieht ja die Tiere nicht mehr. Wenn Sie heute mit dem Auto durch die Gegend fahren, dann sehen sie keine Schweine mehr, kein Hendl, kein Rind. Es sei denn, sie machen Urlaub auf dem Land. Aber selbst da gibt es immer weniger Landwirte, die Tiere haben", meint Wetscherek. In seiner Kindheit sei er am Wochenende noch oft zur Verwandtschaft aufs Land gefahren und habe viele Tiere gesehen. Heute sind die Tiere weg und die Äcker verpachtet.
Allerdings sieht der Experte dadurch nicht unbedingt große Auswirkungen auf das Konsumverhalten der Menschen. "Wenn man sich die Statistik anschaut, dann ist der Fleischkonsum in Summe stabil geblieben bzw. bei Rind und Schwein leicht zurückgegangen, zugunsten des Geflügels." Wenngleich hier zu beobachten sei, dass der Konsument bei der frischen Hendlbrust noch auf die Herkunft schaue, aber bei Fertigprodukten wie etwa Chicken-Nuggets nicht mehr.
Generell stehe aber die Herkunft des Fleisches für die Österreicher immer an erster Stelle - zumindest würden das die Umfragen zeigen, so Wetscherek. "Der Konsument will heimisches Fleisch essen. Ob er bei der Tiefkühlpizza daran denkt, weiß ich nicht. Aber beim Frischfleisch ist das Vertrauen in die heimische Wirtschaft groß - und eine Riesenchance für unsere Landwirte, weil sonst würden wir das Fleisch importieren, weil es billiger ist."
Aber ob der Konsument wirklich sehen will, wie man zu dem Fleisch kommt, sei eine andere Frage. "Ich weiß, wie das aussieht und funktioniert. Wenn ich 20 Menschen eine Schlachtung zeige, wird zwei davon schlecht werden, aber das ist ganz normal. Dass es da viel Blut gibt, gehört nun einmal dazu, das geht gar nicht anders. Und es ist eine schwere Arbeit. Daher glaube ich, es ist notwendig, den Dingen ins Auge zu schauen."
Mit diesem Bewusstsein wird der Konsument das Produkt dann entweder ablehnen oder ihm wird klar, dass es sich dabei um kein Wegwerfprodukt handelt, und er wird Qualität suchen. "Wenn die heimischen Fleischbetriebe das schaffen, dann werden es ihnen die Konsumenten danken."
Zur Person: Wolfgang Wetscherek
ist Außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Tierernährung, tierische Lebensmittel und Ernährungsphysiologie an der Boku Wien.