Die U2 wird automatisiert geführt. - © Wiener Linien
Die U2 wird automatisiert geführt. - © Wiener Linien

Wien. Es ist halb acht in der Früh, der Bahnsteig der U-Bahnstation ist voll von Menschen, die in die Arbeit wollen. Endlich kommt die U-Bahn. Die Menschenmasse schiebt sich in die Waggons hinein. Nach der Durchsage "Zug fährt ab" blinken die roten Warnlampen an den Türen, die wenig später zuknallen. Einige stemmen sich gegen die zufliegenden Türen - die sich danach wieder öffnen - und gelangen so noch in das Innere des Wagens.

In der Früh und am Abend würde es unter der Woche jeden Tag so zugehen, sagt Josef Hackl, ein langjähriger U-Bahn-Fahrer. Und dann wundert man sich, wenn es zu Verspätungen kommt, schüttelt er den Kopf. "Jeder kann doch bis drei zählen", fährt er fort. "Wenn ich bei einem Intervall von drei Minuten bei jeder Station eine Minute verliere, holt mich spätestens in drei Stationen der nachkommende Zug ein." Weiters würden dadurch bei jeder Station um ein Drittel mehr Fahrgäste einsteigen. Das Ergebnis: vollere Züge und längere Wartezeiten. Die mittlerweile immer wieder zwischen den Stationsansagen geschaltete Durchsage "Nach Abfertigung des Zuges mit den Worten ,Zug fährt ab‘ ist das Ein- und Aussteigen aus Sicherheitsgründen verboten!" sei eine gute Idee, würde aber nicht bis zu jedem Fahrgast durchdringen.

Keine Gnade für "Omas"


Josef Hackl kennt die Wiener Linien von der Weiche bis zum Wagentyp der Fahrzeuge. "Ich bin aus dem Waldviertel. Wir waren froh, dass wir das Gleis gehabt haben. Das hat mich von Anfang an interessiert." Angefangen hat er als "Tramwayfahrer" in Ottakring. Früher sei man die Strecken abgegangen und studierte die Ampelphasen ein. "Am schnellsten ist man nicht, wenn man Vollgas gibt, sondern wenn der Wagen in Bewegung bleibt." Dazu sei es nötig, die Ampelphasen genau zu kennen. Eine Grünphase kann zwischen 50 und 70 Sekunden kosten, das würde sich schnell summieren.

Josef Hackl nimmt seinen Job bitterernst. Um den Fahrplan einzuhalten, konnte es schon einmal vorkommen, dass er der "alten Oma, die mit dem Stock der Straßenbahn entgegenhumpelt" die Türen vor der Nase schloss und davonfuhr. Das Murren der Fahrgäste sei daraufhin nicht immer angenehm gewesen, sagt er. Aber das Murren wäre größer gewesen, wenn sich die Intervalle verlängert hätten, ist er sich sicher. "Mein Traum ist der mündige Fahrgast, der mitdenkt", gibt Hackl zu verstehen.

Mitdenken und vor allem Geduld wären auch in Situationen erwünscht, wenn der Zug etwa bei einem technischen Defekt im Tunnel stehen bleibt. Der Fahrer muss nachsehen, wo das Problem liegt. Wenn er in den letzten Waggon muss, geht er 110 Meter, das kann schon dauern, erzählt Bernd Sobotka, tätig in der U-Bahnleitstelle. Und die Zeit in einem Tunnel vergeht gefühlsmäßig langsamer als außerhalb, fügt er hinzu. Wenn das Problem in 25 Minuten nicht behoben werden kann, wird der Zug evakuiert. Davor wird dieser von der Stromversorgung abgekoppelt und auf Akku umgestellt. Im Tunnel geht automatisch das Licht an.

Durchsagen würde man sehr sparsam einsetzen, vor allem bei schwerwiegenden Vorfällen wie etwa bei Brand. Man will dadurch verhindern, dass die Fahrgäste in Panik geraten und im schlimmsten Fall die Türen aufreißen und die Scheiben mit ihren Ellbogen einschlagen, sagt Sobotka. Durch den etwa einen Meter hohen Abstand von U-Bahn-Ausgang zum Boden müsste man hinunterspringen, um aus dem Waggon hinauszukommen. Wenn der Strom noch nicht abgeschaltet ist, landet man auf 750 Volt, das würde niemand überleben, gibt Bernd Sobotka zu verstehen.

"Die U6 ist eine Challenge"


Alle U-Bahn-Linien mit Ausnahme der U6 werden automatisiert geführt, der Fahrer diene daher hauptsächlich dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Fahrgäste. In der U6 fährt der Fahrer noch selbst: "Die U6 ist eine absolute Challenge. Sie hat viel zu viele Fahrgäste und der Zug zieht viel zu schwach", sagt Josef Hackl. Das sei aber noch echtes U-BahnFahren.

Vorkenntnisse für den Beruf seien keine nötig, sagt Bernd Sobotka. Man braucht auch keinen Führerschein, um U-Bahn-Fahrer zu werden. Bewerben kann man sich ab einem Alter von 21 Jahren. Nach psychologischen Tests folgt eine dreimonatige Ausbildung.

Gefahren wird bis zu acht Stunden am Tag, wobei man nie mehr als dreieinhalb Stunden am Stück im Cockpit sitzt.