Wien. Das Baby im Kinderwagen schreit. Nervös versucht der Vater seinen Sprössling zu beruhigen. Vergeblich. Die Fahrgäste in der Straßenbahn tuscheln bereits. Aus dem Gemurmel hört man immer wieder ein Wort heraus: Mutter. Das Kind verlangt nach der Mutter.

So sieht es das traditionelle Rollenbild seit jeher vor: die Mutter als Ernährerin und Hüterin der Kinder, der Vater als finanzieller Versorger. Jahrzehntelang wurde dieses Bild kultiviert.

Der Wiener Verein Poika versucht, das zu ändern. Er will ein Weltbild vermitteln, das losgelöst ist von althergebrachten Rollenbildern. Philipp Leeb, Obmann des Vereins, kennt die Geschichten von überforderten Vätern in Straßenbahnen und er hat sie als Vater von zwei Kindern schon selbst oft erlebt. Durch gängige Geschlechter-Zuschreibungen - dass etwa Kleinkinder ständig bei ihrer Mutter sein müssen und der Vater besser arbeiten gehen sollte - würde man teilweise schon paranoid werden, meint er. "Wir spielen alle mit und unterstützen diverse Geschlechterbilder, selbst in aufgeklärten Kreisen", sagt Leeb. Dabei gebe es innerhalb der Geschlechter genau so viele Unterschiede, wie zwischen den Geschlechtern.

Ein Indianer kennt keinen Schmerz

Durch das Ignorieren dieser Tatsache hätten viele Männer Stress, Männer zu sein, etwa wenn es um die Zuschreibung des starken Mannes geht. Das fange schon bei den Jungen an, die häufig Opfer von Gewalt seien, weil sie ihre Konflikte lieber mit Fäusten austragen würden, als sie zu verbalisieren, weil es sich als richtiger Mann offenbar so gehören würde.

So kennen sie es von ihren Vätern, ihren Großvätern und der Gesellschaft. Viele würden es vermeiden, darüber zu reden, da sie Angst hätten, als Schwächlinge da zu stehen, wenn sie darüber sprechen, Opfer von Gewalt geworden zu sein. Mit dem Verein Poika versucht man mit den Jugendlichen diese Geschlechterkonstruktionen zu hinterfragen.

Seit fünf Jahren betreibt Poika - das auf Finnisch Bub bedeutet - gendersensible Bubenarbeit in Unterricht und Erziehung. "Wir erschaffen Freiräume für die Burschen, in denen sie sich ungestört mit ihren Bedürfnissen und Interessen auseinandersetzen können", erklärt der Obmann.

Hinterfragt werde dabei sehr stark die Sozialisierung der Jugendlichen. Sätze wie "Ein Indianer kennt keinen Schmerz", oder "Was mich nicht umbringt, macht mich stärker" hat jeder Bub schon einmal gesagt bekommen. Hinzukommen mediale Vorbilder, die oftmals eine Art Machokultur inszenieren würden. Diese würde dann von vielen Burschen reproduziert werden. Insbesondere in Fragen der Sexualität kann das zu Problemen führen. Viele Burschen kommen erstmals durch Internetpornografie mit dem Thema überhaupt in Berührung.

"Burschen haben wenige männliche Bezugspersonen, die sie aufklären oder mit denen sie unangenehme Themen besprechen können", sagt Leeb.

In Workshops und Gesprächen wird den Burschen die Möglichkeit gegeben, sich mit diesem und anderen Themen auseinanderzusetzen.

Forderung nach mehr Geld für Burschenarbeit

Der Verein, mit dem Leeb nach eigenen Angaben Pionierarbeit betreibt, versteht sich als Ergänzung zur bereits existierenden Vereinen, die Sensibilisierungsarbeit für Mädchen leisten. Neben Workshops für Jugendlichen ist er auch in der Lehrerfortbildung tätig. Das Angebot wird sehr gut angenommen: "Ich habe noch nie Werbung machen müssen." Die Förderungsmöglichkeiten seien hingegen sehr gering. Es gäbe eine kleine Abteilung im Sozialministerium, die sich des Themas annimmt. Da die Gelder der Frauenabteilung für Frauen verwendet werden sollen, fordert er eine eigene Abteilung für Männer.