
Wien. Schon zwei Stunden vor Filmbeginn füllen sich langsam die Plätze. Alte Herren im Hawaiihemd, dazu ältere Damen mit bunten Blümchenblusen und Föhnfrisuren. Braungebrannte Afterworker mit glatter Gelfrisur. Ein Punk präsentiert Anti-Rassismus-Botschaften. Dazwischen ein paar abgehalfterte Lebemänner mit locker übergeworfenem Second-Hand-Sakko. Ein Security hat alle Hände voll zu tun, die Leute vom Konsumieren abzuhalten. Rauchen, essen, trinken - alles nicht erlaubt auf den Tribünen. In den Reihen vor der Filmleinwand aber sehr wohl. Das wird auch dankend angenommen. Ein Mann im lockeren Bürooutfit breitet eine Picknick-Decke aus, während Kinder fröhlich um ihn herumtanzen. Sonst trifft man auf Japaner, Amerikaner und noch mehr Japaner.
Generell tummeln sich an diesem Sommerabend viele Touristen vor dem Rathaus. Darunter auch jene, die eigentlich gar nicht wissen, wo sie jetzt genau sind und was hier eigentlich gespielt wird. So auch Lucas, der in gutem Englisch ein paar Infos einholt. Er stammt aus Argentinien. Aus Rosario, um genau zu sein. Das ist die Stadt nahe Buenos Aires, in der nicht nur Che Guevara, sondern auch Lionel Messi geboren wurden, versichert er stolz. Mit einer Gruppe von Freunden reist Lucas gerade quer durch Europa, in Wien ist man auf der Durchreise. "Zu wenig Zeit für diese Stadt", sagt er. Einen Film hätte er gerne gesehen, keine Konzertaufzeichnung. Ex-Beatles-Sänger Paul McCartney aus den 1980ern haut den Argentinier nicht aus den Socken. Auch die Getränke seien zu teuer, meint er und nimmt einen kräftigen Schluck vom Bier. Andere nippen lieber an feschen Sommergetränken, die in bunten Farben ausgegeben werden.
Exotische Speisen gibts im Überangebot. Es riecht nach Fisch, Bier und Fritteusenfett. Australisches Kängurufleisch, amerikanische Burger, chinesische und italienische Nudeln, Speisen aus Vietnam, Frankreich, Spanien, Mexiko und so weiter. Hilft aber alles nichts: Die meisten Hungrigen stehen bei den Käsekrainern und der Wiener Wirtshausküche.
Von Amerika bis Wörthersee
Raymond aus Virginia hält in der einen Hand die Wurst, in der anderen den Stadtplan. Seine Ehefrau assistiert ihm. Die beiden haben sich schon früh einen Platz gesichert, wollen tatsächlich den 1980er McCartney über die Leinwand rocken sehen. Schließlich sei man ja dabei gewesen damals. Beatlemania und so. Kino for free? Eine tolle Sache, ist sich das Paar einig. Auch die Wiener lieben ihre Gratisveranstaltungen, meint zumindest eine Gruppe Jugendlicher, die es sich am warmen Asphalt gemütlich gemacht hat. Bei der Martini-Bar gegenüber vom Burgtheater hingegen darf es etwas gehobener zugehen. "Make it royal" steht dort geschrieben. Dazu "Luck is an attitude" (Glück ist eine Haltung). Das Publikum fügt sich den Vorgaben. Hochgestylte Damen in Cocktailkleidern und Wörthersee-Jungs in weißen Leinenhosen drapieren sich auf einem Podest, das aus kleinen Düsen mit weißem Nebel besprüht wird. Ob zur Kühlung oder Disko-Optik, lässt sich nicht klären. Royal wirkt es nicht wirklich. Aber vielleicht ist eben auch das nur eine Haltung. Paul McCartney ist hier dann auch eher wurscht.
Diejenigen, die sich doch für den Ex-Beatle begeistern können, streiten sich zu dieser Zeit schon um die Sitzplätze. Gezeigt wird ein Konzertfilm von 1991, in dem Regisseur Richard Lester alte Beatles-Aufnahmen mit einem McCartney-Konzert von 1989 gemischt hat. Zwar räumen manche schon ihre Plätze, noch bevor die Rocklegende die Eröffnungsnummer "Band on the Run" zu Ende gesungen hat, die meisten aber nehmen das mit dem "Run" nicht zu wörtlich und verharren gespannt. Spätestens mit "The Long and Winding Road" legt McCartney dann richtig los und lässt so gut wie alle Beatles-Hymnen Revue passieren.
Es bleibt die Erkenntnis: "Make it royal" or "Let it be". Für Sir McCartney gilt wohl beides.
Wissen
Sommerkinos gibt es am Karlsplatz, Rathausplatz, Museumsquartier, Ottmar-Brix-Gasse, Uraniastraße, Urban-Loritz-Platz, Augartenspitz, Laudongasse, Währinger Straße, Columbusplatz und in der Arena. Nähere Infos unter: www.sommerkino.at