So alt, dass es unverkäuflich ist: ein original mit Perlen besticktes Kleid aus den 1920er Jahren. - © Sandra Birklbauer
So alt, dass es unverkäuflich ist: ein original mit Perlen besticktes Kleid aus den 1920er Jahren. - © Sandra Birklbauer

Wien. Die Liebe zu alten Kleidern wurde Ursula Wagner quasi in die Wiege gelegt. Ihre Großmutter ließ sie als kleines Mädchen die Art-Deco-Kleider der eigenen Mutter und Wagners Urgroßmutter tragen, um Prinzessin zu spielen. Noch heute beginnen ihre Augen zu glänzen, wenn sie davon erzählt. Und gleichzeitig tut es ihr im Herzen weh, weil sie genau weiß, dass dieser Kakaofleck, den sie später mühsam restaurieren und einfärben lassen musste, bei einer dieser Prinzessinnen-Spiele entstanden ist.

Neben der Familiengeschichte ist es auch der Wunsch nach individuellerer Kleidung, der Wagner schon als Jugendliche dazu brachte, Stücke von der Stange aus den Massentextilhäusern wie H&M, Zara oder Mango, mit Stücken vom Flohmarkt oder aus VintageLäden im Ausland zu kombinieren: "Heute schauen die Leute so uniform aus, ich würde mich nicht wohlfühlen, wenn ich in ein Geschäft gehe, ein Outfit an einer Puppe sehe und weiß, so sehe ich dann aus."

Auch mache die heutige Mode keinen Unterschied mehr zwischen Mann und Frau, "die Weiblichkeit ist verloren gegangen", sagt Wagner. Heute könne jeder Jeans und Turnschuhe tragen. Früher hätten Handschuhe und Hut zur Frau dazugehört - was damals für Eleganz stand, sei aber heute undenkbar, weil im alltäglichen Berufsleben unpraktisch.

Mindestens 20 Jahre alt und etwas Besonderes


Der Drang nach Individualität sei es aber, der immer mehr Menschen dazu bringe, sich mit Mode aus früheren Jahrzehnten auseinanderzusetzen. Wobei nicht alles, das "alt" ist, auch automatisch Vintage-Mode ist. Das englische Wort "Vintage" bezeichnet dabei nicht die "Weinlese", sondern bedeutet klassisch, im Sinne von "gut erhaltenen Sammlerstücken". Und: "Vintage muss mindestens 20 Jahre alt sein", erklärt Wagner. "Manche sind noch genauer und machen das an Marken wie Dior oder Chanel fest." In Wien, das nie so eine Modestadt war, wäre das zum Beispiel eine Marke wie Adlmüller. Auch wenn sie das nicht so streng sieht, "Massenware von Zara, Mango und Co. ist sicher auch in 20 Jahren kein Vintage", meint sie. Auch aus den 50er Jahren gäbe es zwar Polyester-Teile, aber diese seien zumindest noch Originale, Einzelstücke und damit etwas Besonderes.

2010 hat Ursula Wagner ihre Leidenschaft für Kleider mit Geschichte als "Fräulein Kleidsam" umgesetzt, seit 2011 hat sie auch ein kleines Geschäft auf der Wieden (Seisgasse 3, 1040 Wien). Eine Haube aus den 1920er Jahren, die ihre Oma selbst gemacht hat, steht als Dekoration in der Auslage. Nach Jahrzehnten sortiert, hängen Kleider, Blusen, Röcke und Mäntel aus den 1920er bis 1980er Jahre im Geschäft. Derzeit herrscht ein bisschen Chaos im Schau- und Verkaufsraum, ist Wagner doch gerade mitten in den Vorbereitungen für den "Vintage Salon Vienna", der am kommenden Wochenende im Palais Eschenbach stattfindet (Markt 11-20 Uhr, Abendprogramm ab 21 Uhr).