Wien. Lisa Horvath hat die Schule abgebrochen. Mit dem Lernen sei sie nie so recht klargekommen und sie wollte einen anderen Weg einschlagen. Dieser Weg führte sie erst als Verkäuferin in eine Nobelboutique in den ersten Bezirk und dann wieder zurück in die Schule: Ein Jahr lang leitete sie ein Schulbuffet. "Das hat mir alles nicht getaugt. Eigentlich wollte ich schon immer eine Ausbildung machen, aber ich wusste nicht genau was", erzählt die 21-Jährige. Ein kreativer Beruf sollte es sein, nur nichts Eintöniges. "Ich habe mich dann beim AMS gemeldet und die haben mir eine Lehre als Medienfachfrau vorgeschlagen."

Schlechte Erinnerungen

an die Schulzeit

"Für uns ist es schwierig, jene Menschen zu erreichen, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben, denn sie haben meist eine schlechte Erinnerung an die Schulzeit und wollen deshalb keine Berufsschule machen. Außerdem ist es für diese Menschen nicht selbstverständlich, sich um einen Lehrplatz umzuschauen", meinte Fritz Meißl, Geschäftsführer des Wiener Arbeitnehmer Förderungsfonds (Waff), am Montag bei einer Pressekonferenz mit Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ) und AMS-Wien-Chefin Petra Draxl. Sie stellten Angebote für Wiener vor, die ihren Lehrabschluss nachholen wollen. Diese Angebote sollen am 17. und 18. September im Rahmen einer sogenannten "Qualifizierungsmeile" im Berufsausbildungszentrum des Berufsförderungsinstituts (bfi) den Wienern nähergebracht werden. "Bei dieser Infomesse sollen die Leute informiert werden und sich auch gleich für einen Lehrplatz anmelden können", so Draxl.

Vom Reisebüro

in die IT-Werkstatt

Petra Mehofer hat ihren Beruf als Reisebüroberaterin aufgegeben, um eine neue Lehre anzufangen. "Eigentlich hat mich mein Beruf nie so recht interessiert. Ich wollte lieber eine technische Ausbildung machen", so die 27-Jährige. "Nach der Geburt meiner beiden Kinder bin ich aber schon wieder in den Beruf als Reisebüroberaterin zurückgegangen." Schließlich informierte sich Petra über eine Lehre im technischen Bereich und landete bei einer Ausbildung als IT-Technikerin. Sie befindet sich im dritten Lehrjahr und wird in eineinhalb Jahren ihren Abschluss machen. "Ich werde durch alle Bereiche der Firma geschleust. Momentan bin ich im Bereich Produktmanagement und da gefällt es mir bisher eigentlich am besten", so Petra.

"Speziell für Frauen sind die Aufstiegschancen viel höher, wenn sie eine Fachausbildung haben", sagt Renate Brauner. Im Rahmen des Qualifikationsplans sollen Brauner zufolge 1000 Wiener bis 2020 ihren Lehrabschluss nachholen. "Um das zu erreichen, müssen wir noch näher an die Leute heran. Ähnlich sieht das auch AMS-Wien-Chefin Draxl: "Wir brauchen etwas, um den arbeitslosen Menschen zu zeigen, welche Angebote wir haben." Mit der Qualifizierungsmeile wollen sie das erreichen.

Viele Lehrstellen können nicht besetzt werden

Das Wirtschaftsförderungsinstitut (Wifi) der Wirtschaftskammer ist ebenfalls mit einem Informationsstand bei dieser Meile vertreten. Obwohl man die Qualifizierungsmeile unterstützt, ist man bei der Wirtschaftskammer Wien der Meinung, dass es wichtig wäre, früher anzusetzen, und zwar mit einer qualifizierten Grundausbildung in der Schule: "Es ist nämlich so, dass viele Lehrstellen nicht besetzt werden können, weil die Schüler nicht gut genug lesen, rechnen oder schreiben können." Darüber hinaus fordert die Wirtschaftskammer eine verpflichtende Berufsorientierung in den Schulen: "Die Lehrer sollten mit den Schülern besprechen, welche Lehrberufe es überhaupt gibt, denn die meisten wissen nicht, dass man außer der Einzelhandelskauffrau und dem Friseur noch andere Lehren machen kann."

Lisa Horvath war immer bewusst, dass sie nur mit einem Pflichtschulabschluss, Nachteile haben würde. "Deshalb wollte ich ja unbedingt eine Ausbildung machen." Vizebürgermeisterin Brauner zufolge hat die große Mehrheit, derer, die arbeitslos sind keinen Lehrabschluss: "Ich kann mir natürlich schon vorstellen, dass man mit 17 Jahren anderes im Kopf hat, als den Lehrabschluss zu machen - aber das soll nicht das Ende sein."

Im Jänner wird Lisa nun ihre Lehrabschlussprüfung als Medienfachfrau machen.