Wien. Der Geruch von Make-up und Haarspray erfüllt die Luft. Mehr als hundert junge Frauen und Männer in rosa T-Shirts schwirren durch die Volkshalle des Wiener Rathauses. Auf langen Tischen stehen Flechtzopf- und andere Modellhaarköpfe, Schüsseln mit Spangen, Nadeln, Kämmen und Bürsten. Hier werden Locken eingedreht, dort Strähnchen gefärbt. Hier wird ein Nagelstyling ausprobiert, dort mit einer Handmassage verwöhnt, während Jungstylisten auf der Showbühne den neuen Look "Candy Dandy" mit apricotfarbenen Akzenten präsentieren.
Die Lehrlinge der Berufsschule für Haar- und Körperpflege zeigen an diesem Tag ihr ganzes Können. Das Styling-Event wurde von der Schule erstmals initiiert, um Pflichtschulabgängern die vielen Facetten der Berufe Friseur und Perückenmacher, Kosmetiker, Fußpfleger und Masseur zu zeigen. "Hier können sie die Berufe in der Praxis kennenlernen, sich selbst ausprobieren, mit Ausbildnern und Lehrlingen sprechen und sich über Lehrstellen informieren", sagt Direktorin Christa Mayer.
Die Veranstaltung ist Teil des Projekts "Classroom 20.20", das Berufsschullehrer Martin Klinka als Ergänzung zur fachlichen Ausbildung der Jugendlichen ins Leben gerufen hat: Bei Veranstaltungen und Workshops in Zusammenarbeit mit Unternehmen sollen die Friseur-Lehrlinge Soft Skills und die für ihren Beruf ebenso wichtige Allgemeinbildung lernen, um sich mit den Kunden über mehr als nur die Frisur unterhalten zu können.
Platz zum Ausprobieren
Bei der Veranstaltung im Rathaus können die jungen Besucher auch feststellen, ob ihre Vorstellungen vom Wunschberuf realistisch sind. "Ich hab mir vorher gedacht: ,Strähnchen färben, das kann ja nicht so schwer sein.‘ Als ich es dann hier ausprobierte, war jeder zweite Handgriff falsch", sagt die 18-jährige Sanja. Sie besucht die AMS-Jugendwerkstatt, möchte die Lehre nachholen und sieht sich jetzt Berufe an, die sie interessieren. "Vor zwei Wochen hab ich noch gedacht, dass Friseurin nix für mich ist, ich wollte lieber Karosseriebautechnikerin werden. Aber dann hab ich gemerkt, dass an dem Beruf viel mehr dran ist, als nur andere schön zu machen."
Marlies und Denise sind im zweiten Lehrjahr und mit ihrer Berufswahl als Friseurin bisher sehr zufrieden. "Viele nehmen den Job auf die leichte Schulter und glauben, das ist kein ernstzunehmender Beruf", sagt Denise. "Sie hören dann mittendrin auf, weil sie es sich leichter vorgestellt haben. Hier auf dem Event können wir zeigen, wie kreativ der Beruf ist und dass viel mehr dazugehört als nur Waschen, Schneiden, Fönen."
Auch kommunikative Fähigkeiten seien dabei gefragt, betont Friseurin Andrea Brunner, Lehrkraft und Mitinitiatorin des Styling-Events, denn: "Wir kommen bei unserer Arbeit sehr nahe an die Menschen heran. Für manche sind wir gleichzeitig auch Seelenbetreuer und Psychologen. Viele Gespräche starten mit Small Talk, und dann erfahren wir innerhalb von Minuten, dass der Hund krank ist, die Schwester im Spital liegt oder der Opa gestorben ist."
Während sich im Friseurberuf auch immer mehr junge Männer ausbilden lassen, sind es bei den Kosmetikerinnen zu 99 Prozent Frauen. Dieser Beruf kann in drei Jahren als Doppellehre gemeinsam mit jenem der Fußpflegerin abgeschlossen werden. "Ich habe erst später gemerkt, dass ich in der Lehre auch Fußpflege dabei habe, aber mittlerweile macht mir das Spaß. Auch wenn ich nur als Kosmetikerin arbeiten werde", sagen Veronika und Yvonne, beide im dritten Lehrjahr. Und: "Es macht mir Freude, wenn ich sehe, dass Leute nach der Behandlung wieder ohne Schmerzen gehen können", ergänzt Kollegin Nicole.
Fremde Füße
Dass fremde Füße anzugreifen nicht jedem liegt, bestätigt Berufsschullehrer Jürgen Kellner: "Zur Fußpflege muss man geboren sein", ist er überzeugt. Er kritisiert, dass der Beruf der Kosmetikerin und Fußpflegerin einzeln in jeweils nur zwei Lehrjahren absolviert werden kann. "Die jungen Leute arbeiten dabei am Menschen und müssen in kürzester Zeit so heikle Anwendungen wie Fruchtsäure- oder Hochfrequenzbehandlungen in Theorie und Praxis erlernen. Wir wissen nicht mehr, wie wir all die Lehrinhalte in der kurzen Zeit unterbringen sollen. Bei der Lehrabschlussprüfung müssen sie aber abrufbar sein."
Im Gegensatz zu anderen Lehrberufen gebe es bei den Friseuren genug Lehrstellen, sagt Karin Dopplinger, Innungsmeisterin der Landesinnung Wien der Friseure. Die Lehrlingszahlen seien rückläufig. Das liege zum einen an der mangelnden Disziplin vieler Interessentinnen, die sich das Berufsleben anders vorstellen, aber auch am Einfluss der Eltern: "Viele Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder höhere Schulen besuchen und dann studieren, auch wenn die Leidenschaft als wichtigste Voraussetzung für den Friseurberuf da ist. Es gibt viele, die die Lehre dann mit 18 nachholen, weil sie sagen: ‚Jetzt kann ich endlich das machen, was ich will.‘"
Dabei sei Friseurin oder Kosmetikerin ein krisensicherer Beruf, der immer und überall gebraucht werde, so Dopplinger, denn: "Was wäre eine Oscarnacht oder eine Fashionshow ohne Friseurin oder Kosmetikerin? Und wie ein Kollege treffend sagte: Wir werden mit Kamm und Schere nicht die Welt verbessern, aber mindestens zehn Menschen pro Tag glücklich machen."