- © Katharina Roßboth
© Katharina Roßboth

Wien. Im Botschaftsviertel rund um den Wiedner Sankt-Elisabeth-Platz gibt es ein neues Konsulat: das "Kommunalkonsulat". Es ist die Vertretung von neun Landgemeinden, die sich im Verein "Zukunftsorte" zusammengeschlossen haben und sich nun hier mitten in Wien - verkehrsgünstig zwischen Hauptbahnhof und City gelegen - einen Ort geschaffen haben, an dem ihre Vertreter zusammenkommen können.

Zur Eröffnung sind rund 150 Menschen aus den neun Gemeinden in Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Kärnten, Burgenland und Vorarlberg gekommen, um sich in der Bundeshauptstadt zu vernetzen. Dabei setzen sie durchaus auf Bekanntes: Findet die Feierlichkeit doch im Pfarrsaal statt, wie es wohl in dem einen oder anderen Ort für große Versammlungen auch üblich ist.

Hier in der Belvederegasse 26 ist die Urbanität doch auch ganz besonders dicht: Im Hinterhof liegt der Co-Working-Space des Kreativareals Awerner; daneben haben die Urbanauts ein ehemaliges Geschäftslokal in ein Hotelzimmer umfunktioniert; und auf der anderen Seite kümmert sich das Streetwork Wieden um die Straßensozialarbeit mit jungen Menschen.

Innovation und Tradition


Christof Isopp und Roland Gruber, beide Architekten, haben das Projekt "Zukunftsorte braucht das Land" vor rund drei Jahren entwickelt, weil ihnen die Zukunft des ländlichen Raums ein Anliegen ist. Probleme des kommunalen Lebens sollen mit kreativwirtschaftlicher Kompetenz und unter breiter Einbindung der Bevölkerung angegangen werden, um in die Lebensqualität in ausgewählten Gemeinden zu heben. "Die Zukunftsorte sind eine Region aus Gemeinden, die nicht benachbart sind", erklärte Isopp. Im Zentrum steht dabei das Netzwerk, der Austausch, "um das Rad nicht neu erfinden zu müssen, sondern aus einem Erfahrungs- und Kompetenzpool schöpfen zu können".

Ihre Innovations-Kompetenzen stellten die Bürgermeister der neun Gemeinden (Hinterstoder, Kals am Großglockner, Moosburg, Munderfing, Neckenmarkt, Nenzing, Thalgau, Werfenweng, Zwischenwasser) bei der Eröffnung kurz vor - diese spiegelten sich auch in Stühlen wider, die sie aus den Gemeinden mitgenommen hatten und mit denen das "Kommunalkonsulat" anschließend bestückt wurde.

Dass das oberösterreichische Munderfing bis 2035 seinen gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Energiequellen abdecken will, zeigte sich in der Lehne des Holzsessels: geschnitzte Rotorblätter von Windrädern. Erneuerbare Energien sind nur eines der Zukunftsthemen, denen sich die innovativen Gemeinden widmen und über die sie sich austauschen. In Thalgau wurde zum Beispiel die österreichweit erste Begegnungs-Zone umgesetzt. Und Kals hat den Ortskern neu gestaltet und dabei altes Kulturerbe und moderne Dorfgestaltung miteinander verknüpft.

An das "Kommunalkonsulat" formulierten die Bürgermeister bei der Eröffnung alle ähnliche Wünsche: Es soll ein Ort der Verknüpfung für die Zukunftsorte sein, aber auch eine Möglichkeit bieten, um Touristen in die Gemeinden zu bringen. Außerdem steht das Ladenlokal mit seinem Besprechungstisch und den individuelle Stühlen Unternehmen und Organisationen aus den Gemeinden für Meetings und Präsentationen zur Verfügung.

Landinger und Ausheimische


Während der Öffnungszeiten (Dienstag bis Freitag, 9.30 bis 13.30 Uhr, Mittwoch zusätzlich von 14.30 bis 18.30 Uhr) können Besucher vorbeikommen, Menschen zum Beispiel, die von Isopp "Landinger" oder "Ausheimische" genannt werden. "Landinger" sind dabei Städter, die Sehnsucht nach dem Land, oder "Landler", die Sehnsucht nach Urbanität empfinden. Und "Ausheimische" sind jene engagierten, weltoffenen Menschen, die aus den ländlichen Regionen in die Bundeshauptstadt gezogen sind. "Es macht keinen Sinn, diese zurückzuhalten oder mit Gewalt wieder zurückzuholen." Es sei aber wichtig, "die Nabelschnur nicht abreißen zu lassen". Und Josef Mathis, Alt-Bürgermeister von Zwischenwasser und Obmann des Vereins Zukunftsorte, ist es wichtig, dass diese Gemeinden voneinander profitieren: "Wir wollen eine Art ‚Sauerteig‘ sein, wo Innovationen wachsen können."

Dass das Kommunalkonsulat in Wien angesiedelt wurde, hat praktische Gründe, um den Kontakt mit den Studenten aus den Regionen zu halten. "Wir wollen das Bildungskapital, die Erfahrungen und Ideen der Menschen, die für Studium oder Job nach Wien gezogen sind, für die Weiterentwicklung unserer Gemeinden nutzen", sagt Mathis. Er könnte sich vorstellen, in einer zweiten Ausbaustufe Studenten in Innsbruck und Graz mitzuvernetzen.