Drogist Pekarek mit einem alten Stoff-Verhütungsmittel. - © Luiza Puiu
Drogist Pekarek mit einem alten Stoff-Verhütungsmittel. - © Luiza Puiu

Wien. Dass er Drogist wurde, ist eigentlich erstaunlich. Wo doch der Kontakt mit Drogerieprodukten zunächst ein eher abstoßender war. "Ich bin ja 1946 in die Schule gekommen", erzählt Alexander Pekarek, "da musste einmal pro Woche die Klasse antreten und dann ist die Frau Lehrerin mit einem Löffel gekommen und dann hat einer nach dem anderen einen Löffel Lebertran bekommen." Das aus Fischleber gewonnene Öl enthält viel Vitamin D und sollte in der Nachkriegszeit zur Kräftigung der Kinder dienen, schmeckt aber absolut grässlich.

Aber auch später, als er in der Drogerie seines Vaters stand, die er 1964 übernommen hat, wurde der Lebertran noch verkauft, "die Leute sind mit ihrem Flascherl ins Geschäft gekommen. Es waren andere Zeiten", erzählt Pekarek vor jener Vitrine im Drogistenmuseum stehend, die den tierischen Produkten gewidmet ist.

Die "Spanische Fliege" zum Beispiel, die eigentlich ein Käfer ist und in gemahlener Form als Potenzmittel eingenommen wurde. Oder die Ausscheidungen der Lackschildlaus, aus denen Schellack gewonnen wird, gerne als Möbelpolitur oder einst für Schallplatten genutzt. Das Museum in einer ehemaligen Wohnung in der Währinger Straße im 9. Bezirk ist ein Sammelsurium, das ein fast schon vergessenes Gewerbe widerspiegelt und von diesen anderen Zeiten erzählt, in denen Pekarek aufgewachsen ist, der bis heute eine Drogerie beim Museum gleich ums Eck betreibt. Er ist einer der Letzten, aber "wir waren einmal ein sehr ehrenwerter Beruf". Der Drogist verkaufte früher fast alles, ob Kräuter, Insektenschutzmittel oder eben Lebertran. Es gab Gifte, Farben und Fotoapparate - weil die Chemikalien für die Entwicklung der Filme auch beim Drogisten erhältlich waren.

All das und noch mehr ist jetzt auch im bereits 1889 gegründeten Drogistenmuseum zu sehen, das vor zwölf Jahren an diesem Standort seine Heimat gefunden hat. Davor war es kurz vor der Auflösung, es fehlte am Geld und derjenige, der sich um das Museum kümmerte, eckte nicht nur bei allen an, er war auch schwer krank und bat Gerhard Fischler, Obmann der Drogistenstiftung, um Hilfe. Dieser sagte zu, das Museum zu retten. "Drei Monate später war er tot", erzählt Fischler.

Die Sammlung, rund 12.000 Exponate, wurde in die Währinger Straße übersiedelt. Eine 200 Jahre alte homöopathische Taschenapotheke, eine riesige Mörsersammlung und vier Bände mit 585 Naturdrucken von Gefäßpflanzen aus dem gesamten Reich, die Kaiser Franz Josef für die Weltausstellung in Paris 1855 herstellen ließ. "Damals war das eine Weltsensation, mit mehreren Tonnen wurde die Pflanze in eine Kupferplatte gepresst. Da sehen Sie sogar den Insektenfraß. Das ist für jeden, der Pflanzen studiert hat, ideal gewesen."

Gesellschaftlich akzeptierter Kannibalismus in kleinen Dosen

Und in der Vitrine daneben stehen mystische Pulver, deren Namen klingen, als wären sie Fantasy-Romanen entsprungen: Drachenblut und Mumienpulver. Während Drachenblut einfach ein roter Farbstoff ist, der aus verschiedenen Pflanzen gewonnen wird, ist das Mumienpulver tatsächlich genau das, was es bezeichnet - weshalb in der Vitrine auch der Schädel einer echten Mumie liegt. "Mumienpulver wurde bis Mitte der Zwanziger tatsächlich noch als Heilmittel verkauft", erzählt Pekarek. "Meist stammte es von tierischen Mumien, aber es werden schon auch menschliche dabei gewesen sein." Gesellschaftlich akzeptierter Kannibalismus in kleinen Dosen für ein vermeintlich längeres Leben.

Menschen wie Pekarek, die noch kleine Drogerien betreiben und alle Geschichten rund um ihren Berufsstand kennen, sind selbst fast schon Museumsstücke; Drogerien heißen heute DM oder Müller. "Der Unterschied zwischen Bipa und DM ist, dass der Bipa nur eine Parfümerie ist, der DM aber ist eine Drogerie", sagt Fischler - deshalb muss dort immer ein ausgebildeter Drogist im Geschäft sein und deshalb darf er Produkte wie freiverkäufliche Arzneimittel verkaufen.

Drogistenlehrlinge müssen sich noch mit den Grundlagen des Berufs herumschlagen, etwa Herbariensammlungen erstellen, wie sie auch im Museum zu sehen sind. Dafür dürfen sie dann auch Gifte in den schillernsten Farben verkaufen, wie sie im Museum zu sehen sind, mit warnendem Totenkopf auf den Etiketten. Die Gifte sind aber auch in den Drogerien nicht frei verkäuflich. Wer etwa Arsen erstehen will, braucht einen Giftschein vom Magistrat - und dort einen guten Grund für den Einkaufswunsch. "Ich gebe den Leuten immer den Tipp, ein Bild der Schwiegermutter mitzunehmen", sagt Pekarek und lacht. "Ich muss dazusagen: In meinen fünfzig Jahren als Drogist hab ich noch nie Arsen verkauft."