
Wien. Wenn Herr Gabor auf das Pedal tritt, um sein Auto zu beschleunigen, dann ertönt kein Motor, der vor sich hinröhrt. Auch ruckartige Bewegungen, die durch das Hinaufschalten der Gänge entstehen, gibt es nicht. Sein Auto hat keine Gänge. Stattdessen wird das Gefährt wie an einer Schnur gezogen, gleichmäßig und geräuschlos schneller. Ungewohnt ist auch die Kraft des Antriebs, die einen in den Sitz drückt. "Damit können Sie jeden Motorradfahrer stehen lassen", sagt er über sein Auto.
Herr Gabor ist ein gewöhnlicher Taxifahrer - mit einem ungewöhnlichen Taxi. Gerade einmal vier Taxis sind in Wien ausschließlich mit Elektroantrieb unterwegs. Herr Gabor fährt eines davon. Gerne erzählt er von dem Tag, als er zum ersten Mal in den knallgelben Tesla einstieg und losfuhr. Über den "riesen Respekt", den er vor der "unglaublichen Kraft" des Pkw hatte. Und über das erste Mal, als er im Wienerwald steile Serpentinen rauf und runter gefahren ist. Mit einem konventionellen Auto hätte man ständig herumschalten müssen, sagt er. "Oder man würde den Automaten jodeln hören. Das fällt hier aber alles weg."
Doch so sehr Herr Gabor über E-Autos schwärmt, kaum einer der österreichischen Autofahrer ist von der neuen Technologie überzeugt. Die Neuzulassungen in diesem Jahr schaffen bei weitem nicht einmal die 1-Prozent-Marke. Ihr Anteil liegt laut Statistik Austria bei 0,4 Prozent. Die Fahrzeuge seien zu teuer, heißt es. Auch die spärlich gesäten Ladestellen, die noch dazu nicht mit allen Ladesteckern kompatibel sind, werden als Gegenargument angeführt. Es gebe zudem eine lange Ladedauer der Batterien bei gleichzeitig geringen Reichweiten.
"So sieht die Zukunft aus"
"Von wegen!" Herr Gabor versucht, die gängigen Vorurteile über E-Autos wegzuwischen. "Denken Sie doch daran, was bei einem E-Auto alles wegfällt. Es gibt kein ganzes Getriebe mehr, das sich mitdreht. Keine Kupplung, keine Zündung, keine Zylinder, keinen Öldruck, keine Dichtungen." Natürlich sei die Dauer des Tankens nicht so kurz wie bei konventionellen Autos. Eine Stunde pro Tag müsse er als Taxifahrer für das Aufladen der Akkus schon mit einberechnen. Damit könne er aber etwa 400 Kilometer fahren."Ich zeige Ihnen etwas", sagt er und fährt die Werkstatt des Autoherstellers im 23. Bezirk an. Dort angekommen, blickt er durch das Garagenfenster in die Halle. "Sehen Sie, der Boden ist sauber und nicht übersäht von Ölflecken oder ähnlichen Substanzen. Werkzeuge gibt es hier auch nicht viele, weil sie auch nicht nötig sind. Mit einer herkömmlichen Autowerkstatt hat das nicht mehr viel zu tun. So sieht die Zukunft aus."
Das erste E-Taxi in Wien wurde vor mehr als einem halben Jahr präsentiert. Mitbekommen hat es aber kaum jemand. Zu abstrakt ist noch die Vorstellung, dass ein Auto nicht mehr brummen könnte und dass man statt bei einer Zapfsäule, bei einem sogenannten Supercharger tankt.
Milan Milic hatte die Idee mit den E-Taxis. Der Unternehmer ist auch der Besitzer der vier Wiener E-Taxis, die er für insgesamt 248.000 Euro erwarb. So wie sein Fahrer kennt auch Milic die Bedenken und Vorurteile gegenüber der neuen Technologie. Er weiß aber auch, dass dies der Anfang grundlegender Veränderungen im Straßenverkehr sein könnte, der seit mehr als 100 Jahren vom Verbrennungsmotor dominiert wird. Das E-Taxi kann bei dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle spielen. Denn sollte sich die Technologie in jener Branche bewähren, in der täglich mehrere hundert Kilometer abgespult werden, dann wird es sich für den Privaten erst recht ausgehen. Die meisten Menschen fahren täglich nicht weiter als den Weg von ihrer Wohnung in die Arbeit und zurück.
Zuerst gelacht, dann kopiert
Dass Milic bei der Vorstellung des ersten E-Taxis in der Branche belächelt wurde, ist für ihn nichts Neues. Er kennt das Gefühl, wenn Kollegen über seine Initiativen den Kopf schütteln. So wie vor sieben Jahren, als er in Wien die ersten Hybrid-Taxis einsetzte. Doch die Nörgler waren bald verschwunden. "Die anderen Unternehmer haben bemerkt, dass sie für die laufenden Kosten bei Hybrid-Autos nur einen Bruchteil bezahlen", erzählt er. Ein Umdenken in der Branche war die Folge. Heute setzen immer mehr Taxiunternehmer auf die hybride Mischung aus Verbrennungs- und Elektromotor.Nun also das E-Taxi. In fünf Jahren möchte Milic den Kaufpreis hereingespielt haben. Wenn man sich die Bilanz nach dem ersten halben Jahr ansieht, so wird er das auch ohne Probleme schaffen. Die größte Ersparnis gegenüber einem konventionellen Taxi liegt für Milic beim Aufladen seiner Tesla-Flotte. Denn der Hersteller stellt seine Tankstelle im 23. Bezirk gratis zu Verfügung.
Gut möglich, dass Herr Gabor in fünf Jahren noch immer eines der E-Taxis von Milan Milic fährt. Für ihn ist dieser Arbeitsplatz ein Privileg, wie er sagt. "Ich bin schon im Methusalem-Alter, da gibt es bei Jobs keine große Auswahl mehr." Der Taxifahrer schätzt es daher umso mehr, dass er einen Job hat, in dem er mit seinen Kunden über die Zukunft plaudern kann. Etwa mit dem russischen Geschäftsmann, der Gabors E-Taxi vor kurzem beim Lugeck im 1. Bezirk erblickte. Und der mit Herrn Gabor eine Runde drehte, um zu spüren, wie es sich in einem E-Auto anfühlt.