Herbert Summesberger, der inzwischen pensionierte Geologe des Naturhistorischen Museums (1889 eröffnet), erläutert anhand des Denkmals von Maria Theresia zwischen den beiden Museen die Unwägbarkeiten der Denkmalpflege: Die Granitplatten auf dem Podest der Statue wiesen Beschädigungen auf, die sich zunächst niemand erklären konnte. Man ging davon aus, dass die Statue zu schwer sei für das Fundament. Bei den Restaurierungsarbeiten entdeckten die Fachleute, dass das Fundament unter den Granitplatten komplett verrottet war. Schuld daran waren Eisenkeile, die zwischen Gestein und Ziegeln gehauen waren und verrostet, beziehunsgweise schon erodiert, waren. Das führte zu vertikalen Verschiebungen und Spannungen, die die Ursache für die Beschädigungen waren.

Ein großer Teil der unterschiedlichen Arten von Natursteinen, die zur Errichtung der Ringstraßen-Bauten verwendet wurden, stammte aus verschiedenen Regionen der ehemaligen Kronländer der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Zum Beispiel  Kalksandstein aus St. Margarethen (Burgenland) oder Marmor aus Carrara in der Toskana, Granit aus Oberösterreich, Serpentinin aus Südtirol. Alleine für die Grundmauern und das Fassadenmauerwerk des Naturhistorischen Museums wurden rund 28.000 Kubikmeter unterschiedlicher Natursteine verwendet. "Kalkstein aus der gesamten Monarchie wurde herangekarrt für die Fassadengestaltung. Solcher von guter Qualität war bald aus, es wurden auch mindere Qualitäten verarbeitet", erzählt Summesberger, der jeden Stein am Gebäude zu kennen scheint. Zusätzlich wurden beim Bau 16 Millionen Ziegel verarbeitet, die vorwiegend von den "Wienerberger"-Ziegelwerken des Industriellen Heinrich von Drasche-Wartinberg produziert wurden.

Die Restaurierung der stark verwitterten Sandkalkstein-Fassade ist beinahe abgeschlossen.  Schuld an den Schäden waren zum Teil die Emissionen der Braunkohleheizungen, mit denen die öffentlichen Gebäude entlang der Ringstraße jahrzehntelang beheizt wurden. "Die Luftsanierung in Wien hat gut funktioniert. Seit auf Fernwärme umgestellt wurde, haben die Denkmalschützer ein Problem weniger, und es ist zu erwarten, dass die komplett restaurierte Fassade ihren honigfarbenen Glanz einige Jahrzehnte behält", gibt sich der leidenschaftliche Geologe optimistisch.

Mit den Reinigungs- und Sanierungsarbeiten am Kunsthistorischen und Naturhistorischen Museum hätte das Bundesdenkmalamt vor etwa 13 Jahren begonnen, erzählt Wiens Landeskonservator Friedrich Dahm dem "Wiener Journal". Die Fassaden der Gebäude wurden nicht nur gereinigt, sondern auch Formergänzungen und Steinrekonstruktionen vorgenommen. Grundsätzlich jedoch seien die Gebäude der Wiener Ringstraße in einem guten Zustand, und das, obwohl es massive Bombentreffer gegeben hat in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs: "Ich wundere mich immer wieder, was damals geleistet wurde. Die Universität war stark beschädigt, die Juristenstiege im Foyer quasi weggebombt, auch das Parlament und das Kunsthistorische Museum hatten starke Treffer, Burg und Oper waren vollkommen ausgebrannt. Und bis 1955 war fast alles wieder aufgebaut, eine grandiose Leistung, vor allem wenn man bedenkt, dass es praktisch an allem gefehlt hat!"  Friedrich Dahm ist noch heute beeindruckt von der Leistung der Wiener Denkmalschützer in den Nachkriegsjahren.

Gesamtkunstwerk Ringstraße

Die Wiener Ringstraße definiert Friedrich Dahm als Gesamtkunstwerk von Weltrang. Sie sei Namensgeber für eine europaweite Stilepoche. Der Aufwand, dieses Gesamtkunstwerk in Stand zu halten, sei aus Sicht der Denkmalschützer relativ und nur von Objekt zu Objekt zu beziffern, erklärt Dahm: "Nehmen wir zum Beispiel ein Palais, das lange in Privatbesitz gewesen ist und das Glück hatte, im Krieg keine Treffer abzubekommen, nehmen wir weiter an, dass der private Besitzer wenig bis gar nichts verändert hat –  da genügt oft eine Reinigung. Hat es aber vielleicht irgendwann einen Wasserschaden gegeben, dann wird’s schon komplizierter."

Sobald das Bundesdenkmalamt hinzugezogen wird, empfiehlt es eine Befundung von Bestand und Zustand des Objektes und erstellt einen Maßnahmenkatalog, der dann zumeist in eine Ausschreibung mündet. "Der Eigentümer hat im Regelfall keine Ahnung", meint Dahm, "wir vom Bundesdenkmalamt verstehen uns als neutrale Berater, weil wir keine wie immer gearteten finanziellen oder spekulativen Interessen haben."  Jede kleinste Veränderung an denkmalgeschützten Gebäuden erfordert eine Genehmigung des Bundesdenkmalamtes. Was die Gebäude entlang der Ringstraße betrifft, stellt Dahm allerdings fest, dass starke Veränderungen an den Außenfassaden ohnehin nicht stattfinden, weil die Eigentümervertreter ja wüssten, dass die Gebäude unter Denkmalschutz stehen. "Und für eine Toilettenanlage im Keller des Wiener Rathauses wird sicher der kurze Behördenweg genügen", fügt er scherzhaft hinzu.
Das Einvernehmen zwischen Bundesdenkmalamt und den Eigentümervertretern sei geprägt durch eine gute und konstruktive Zusammenarbeit, berichtet Wiens oberster Denkmalschützer.  Was die Arbeit des BDA zusätzlich vereinfache, ist die Tatsache, dass viele Gebäude entlang des Wiener Prachtboulevards ihre ursprüngliche Nutzung beibehalten hätten: "Die Oper ist die Oper, das Burgtheater das Burgtheater, das Parlament das Parlament, die Museen die Museen und so weiter. Das sind alles verlässliche Partner. Und die Substanz der Gebäude wurde kaum verändert."

Verlässliche Partner im Dienste des Denkmalschutzes sind auch die Wiener selbst. "Sie glauben gar nicht, wie viele Anfragen wir von aufmerksamen Bürgern bekommen, die nachfragen, ob da oder dort eh alles rechtens ist. Die Wiener identifizieren sich stark mit der historischen Bausubstanz ihrer Stadt", erzählt Dahm aus seiner mittlerweile 25-jährigen Berufspraxis. Wien hätte einen "wahnsinnig großen Denkmalschatz", der von ihm und seinen zehn Mitarbeitern mit "großem Engagement und Liebe" betreut werde.

Ob man jemals fertig wird mit den Restaurierungsarbeiten an den Gebäuden der Ringstraße? "Naja, es ist schon wie ein Ringelspiel. 30 bis 40 Jahre setzt man an für einen Renovierungszyklus, dann sollte man wieder hinschauen. Derzeit wird gerade die Fassade des Rathauses saniert, zum Friedrich-Schmidt-Platz hin ist sie schon fertig", berichtet Dahm. Abgeschlossen wird das Ganze allerdings erst in ein paar Jahren sein. Denkmalschützer denken in anderen Zeitdimensionen.