Wien. Das Gründerzeitwohnhaus Ecke Denglergasse/Mariahilfer Straße im 15. Bezirk darf nur mit Helm betreten werden. Die enge, gewundene Treppe wird alle paar Meter von schweren Stahlgerüsten gestützt. In der dicken Staubschicht am Boden sind die Schuhabdrücke der wenigen Personen sichtbar, die sich noch in das Gebäude wagen. Das soll sich nun ändern: Das schwer beschädigte Wohnhaus wird bis Ende Herbst 2017 generalsaniert.
Größere Wohnungen
Dort, wo die Projektverantwortlichen Montagvormittag das Sanierungsvorhaben verkündeten, ereignete sich Ende April 2014 eine Katastrophe. Ein Bewohner des Hauses beging Selbstmord, indem er eine Gasleitung manipulierte und mit einem Feuerzeug eine Explosion auslöste. Zwei Stockwerke und das Dach stürzten durch die Wucht der Detonation ein - dass viele der Bewohner zu diesem Zeitpunkt einen Hausflohmarkt im Erdgeschoß besuchten, rettete ihnen das Leben.
Die Generalsanierung soll die Spuren des Unglücks mehr als beseitigen. Unter anderem schafft ein Teilabbruch der Hoftrakte Raum für einen begrünten Innenhof, Wohnungsterrassen und sorgt gleichzeitig für bessere Lichtverhältnisse. Auch wird der Wohnraum neu aufgeteilt. "Es waren 29 Wohnungen. In Zukunft werden es 28 sein. Neun kommen im Dachgeschoß dazu und im Altbestand werden kleinere Wohnungen zusammengelegt", erklärt Isabella Wall vom zuständigen Architekturbüro "Kronreif_Trimmel & Partner" im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Die kleineren Wohnungen werden auch einen zeitgemäßeren Grundriss haben, es wird ein echtes Badezimmer, einen Vorraum, eine Kochnische und ein großes Zimmer geben." Damit verschwinden die letzten Wohnungen der Klasse D aus dem Gebäude, das in Zukunft nur noch Klasse-A-Wohnungen beherbergen wird.
Vorsicht war bei der Planung des Dachgeschossaufbaus geboten. Da das Haus im Gründerzeitstil stadtbildprägend ist, musste darauf geachtet werden, den historischen Charakter nicht zu zerstören. "Diesbezüglich wurde schon alles mit der zuständigen MA 19 im Detail geklärt", versichert Architekt Günther Trimmel.
Steigende Mieten
Neben gestiegener Wohnqualität kommen auch gestiegene Kosten auf die zukünftigen Mieter zu. Lag die Bruttomiete für eine Klasse-A-Wohnung vorher noch bei knapp sechs Euro pro Quadratmeter, wird sie sich nach der Generalsanierung auf 7,5 beziehungsweise 9,5 Euro für die Dachgeschoßwohnungen erhöhen. Bewohner einer der kleinsten Wohnungen mit 40 Quadratmetern würden beispielsweise 300 statt 240 Euro monatlich für Miete ausgeben. Von den 33 früheren Mietern will der Großteil aber nicht mehr in das Wohnhaus zurück, zu viele schlechte Erinnerungen sind damit verbunden. Den meisten von ihnen wurden sofort nach dem Unglück von der Stadt freie Wohnungen zur Verfügung gestellt. "Jedoch haben sechs ehemalige Mieter und zwei Geschäftslokale wieder Interesse gezeigt, nach der Generalsanierung einzuziehen", erklärt Helga Brun, Geschäftsführerin der Hausverwaltung. Sie rechnet mit vielen Interessenten für die neuen Wohnungen, immerhin sei das Gebäude vollsaniert und befindet sich in zentraler Lage - der Westbahnhof und die größte Einkaufsmeile Wiens sind drei Straßenbahnstationen entfernt.
Die Gesamtkosten der Generalsanierung betragen 6,1 Millionen Euro, davon übernimmt die Stadt Wien mit 2,7 Millionen Euro beinahe die Hälfte. Die sehr hoch anmutende Fördersumme wird im Rahmen der sogenannten "sanften Stadterneuerung" vergeben, die von der Stadt Wien initiiert wurde. "Allgemein kann kein Wohnungseigentümer dazu gezwungen werden, zu sanieren oder eine geförderte Sanierung in Anspruch zu nehmen", heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Im vorliegenden Fall kam der Impuls zur Sanierung sowohl von den Hauseigentümern als auch der Stadt.
Grundsätzlich sei eine Reihe von Auflagen zu erfüllen, um Sanierungsförderung zu erhalten. Zentraler Punkt ist die Reduktion des Heizwärmebedarfs. Beispielsweise wird das zerstörte Wohnhaus nachhaltig thermisch saniert und der Dachgeschoßaufbau im Passivhausstandard errichtet. Das bedeutet, dass dort durch gute Isolierung keine herkömmliche Gebäudeheizung notwendig sein wird. "Es ist uns wichtig, die historische Bausubstanz zu erhalten, aber gleichzeitig die Wohnqualität zu erhöhen", betont man im Wohnbauressort.
Abriss war nie geplant
Die hohe Fördersumme für das Eckhaus an der Äußeren Mariahilfer Straße ergibt sich vor allem aus dem enormen Schaden und den umfangreichen Vorarbeiten. "Gleich nach dem Unglück wurden statische Untersuchungen durchgeführt, um zu überprüfen, ob das Haus noch zu retten ist." Wie kostspielig ein Abriss des Gebäudes und ein anschließender Neubau gewesen wären, kann man im Wohnbauressort nicht sagen. "Es handelt sich um ein großes Eckhaus im Gründerzeitstil mit guter Bausubstanz. Als bestätigt wurde, dass eine Sanierung möglich war, wurde dieser Plan gezielt verfolgt", heißt es. An einen Abriss dachte man gar nicht, zumal sowohl die Stadt als auch die Hauseigentümer an eier Generalsanierung interessiert waren.
Die Sanierungsmaßnahmen der Stadt Wien seien grundsätzlich flächendeckend, es gäbe aber eine Reihe von Gebieten, in denen gezielt Blocksanierungen betrieben werde, erklärt man im Wohnbauressort. Die aktuellsten Zielgebiete seien Floridsdorf, wo 180 Liegenschaften saniert werden, sowie das Sonnwend- und das Kreta-Viertel in Favoriten. Insgesamt befinden sich derzeit 247 Wohnhäuser mit mehr als 17.300 Wohnungen in Wien in Sanierung. Von den 650 Millionen Euro Gesamtkosten schießt die Stadt 380 Millionen Euro zu.