Wien. Johannes Neubauer kann über Langeweile nicht klagen. Erstens ist er damit beschäftigt, an der Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik (Bakip) die kommende Zentralmatura vorzubereiten. Und zweitens - was noch viel mehr Einsatz erfordert - ist er ab Sonntag Pfarrer der neuen Großpfarre "Christus am Wienerberg" in Favoriten. Denn im Rahmen der Strukturreform, die die Erzdiözese Wien in ihren 656 Pfarren in den kommenden Jahren durchzieht, wurden im
10. Bezirk weitere vier kleine Pfarren zu einer großen zusammengelegt.

Wobei auch hier - wie schon in der ersten Pilotpfarre "Zum Göttlichen Wort" in Nordfavoriten - nicht alles so heiß gegessen wie gekocht wird. Denn abgesehen von der verkauften Pfarrkirche "Maria vom Berge Karmel" bleiben die Strukturen der bisherigen Pfarren "Salvator am Wienerfeld", "Zu den Heiligen Aposteln" und "Zum Heiligen Franz von Sales" vorerst erhalten. Auch der Personalstand ändert sich nicht, nur die Verantwortlichkeiten. Aus den Pfarren werden nun Teilgemeinden der Großpfarre, und die bisherigen Pfarrer werden Pfarrvikare, die alle dem Pfarrer unterstehen. Darüber, dass Neubauer dieses Amt bekleidet, gab es keine Debatte, im Gegenteil: "Die anderen sind alle sehr froh, dass ich es mir antue", meint Neubauer.

Auch wenn er seinen Job gerne macht, ist er sich doch bewusst, dass er einen Haufen Mehrarbeit für ihn bedeutet. Als Großpfarrer (wenn man ihn so bezeichnen mag) ist er ja nun nicht nur für eine Pfarre verantwortlich, sondern de facto für vier - wobei er bereits als Pfarrer "Zu den Heiligen Aposteln" das Pfarrgebiet der an die syrisch-christliche Gemeinde verkauften Kirche "Maria vom Berge Karmel" dazubekam.

Neubauer ist nun für Personalfragen und die gemeinsame Buchhaltung aller Teilgemeinden zuständig, zusätzlich kümmert er sich auch noch um seine bisherige Gemeinde "Zu den Heiligen Aposteln" - und bis 2020 unterrichtet er eben auch noch an der Bakip. Sein Amt als Dechant im 10. Bezirk hat er wohlweislich abgegeben. Es hat ihm aber dabei geholfen, Erfahrung in der Leitung einer größeren Einheit zu sammeln. Und die Einheit ist eigentlich noch größer: Denn zur Pfarre "Christus am Wienerberg" gehört auch noch Philippinische Gemeinde, deren Priester bis zum Verkauf im Pfarrhaus "Maria vom Berge Karmel" daheim waren und jetzt in der Gemeinde "Salvator am Wienerfeld" wohnen. Die Gottesdienste feiern sie dort und in der Pfarrkirche "Zu den Heiligen Aposteln".

"Lernen mit try and error"


Und wie sieht Neubauer die Unterstützung durch die Erzdiözese? "Es ist schon ein sehr guter Wille da, aber die Verantwortlichen betreten mit der Pfarre Neu ja selber Neuland", meint der Pfarrer. "Wir müssen uns die Sachen selbst erarbeiten, das ist halt ein Lernen mit try and error. Da sind natürlich auch viele leere Kilometer dabei und manchmal auch unrealistische Vorstellungen der Diözesanleitung. Aber die lenkt dann schon auch ein, wenn sie sieht, dass es in der Praxis so nicht funktioniert."

Die Favoritner Pilotpfarren haben seiner Meinung nach recht große Gestaltungsfreiheiten. Jeder der neuen Großpfarren wurde von der Erzdiözese ein persönlicher Betreuer zur Seite gestellt. Neubauer steht auch in
intensivem Kontakt mit Pfarrer Matthias Felber von der Pilotpfarre "Zum Göttlichen Wort", wobei er auf die Frage, ob man aus deren Fehlern etwas lernen könne, meint: "Das lässt sich schwer vergleichen. Ich glaube, jede Pfarre hat eine eigene Dynamik."

Die Strukturreform werde von den Pfarrgemeindemitgliedern jedenfalls bisher ganz gut angenommen, meint er. "Es gibt natürlich auch immer wieder skeptische Stimmen, aber die positiven überwiegen." Und Neubauer verweist in diesem Zusammenhang auf die Geschichte seines neuen Pfarrgebiets: Vor ungefähr 50 Jahren war nämlich die Struktur der Pfarren ähnlich wie jetzt. Damals gab es nur die Pfarre "Zu den Heiligen Aposteln" und an den anderen Standorten lediglich Notseelsorgezentren. "Was also schon einmal zusammen war, gehört jetzt wieder zusammen."