Wien.Im Schnitt menstruiert eine Frau in ihrem Leben 500 Mal und verbraucht dabei über die Jahre etwa 16.800 Binden oder Tampons. Weltweit kommt so ein Verbrauch von 45 Milliarden Tampons und Binden im Jahr zusammen. Einerseits bedeutet das eine Menge Verpackungsmüll. Andererseits aber heißt es, dass all die Frauen, aus der sich diese riesige Konsumentengruppe zusammensetzt, theoretisch die Macht hätten, zu beeinflussen, was in ihrem Produkt enthalten sein soll und welche Stoffe lieber nicht. Das Problem? Viele wissen kaum, wie und mit welchen Materialien ihre Hygieneprodukte hergestellt werden. Die Wiener Unternehmerinnen Annemarie Harant und Bettina Steinbrugger haben es sich mit ihrer Firma "Erdbeerwoche" zur Aufgabe gemacht, Aufklärungsarbeit zu leisten und den Frauen eine nachhaltige Alternative anzubieten, wie sie der "Wiener Zeitung" im Gespräch verraten haben.

"Wiener Zeitung": Sie laufen seit einiger Zeit durch Wien und reden laut über Menstruation, Tampons und Binden. Wie reagieren die Leute auf Sie?

Annemarie Harant: Unser Ansatz ist es, die Themen Menstruation und Frauenhygiene mit Fakten und Humor anzugehen und Frauen sowie Männern dadurch einen positiveren Zugang zum eigenen Körper, beziehungsweise zu dem der Freundin oder Ehefrau zu ermöglichen. In den vergangenen vier Jahren ist uns dabei schon so gut wie alles passiert: von ungläubigem Augenrollen, verschreckten Blicken, bis hin zu vollauf begeisterten Frauen, die die Mission der Erdbeerwoche sofort unterstützen wollten und seitdem komplett auf nachhaltige Frauenhygieneprodukte umgestiegen sind. Auch viele Männer unterstützen das. Bisher konnten wir schon rund eine Million konventionelle Monatshygieneprodukte durch nachhaltige Alternativen ersetzen, das ist ein enormer ökologischer Impact.

Auf Enttabuisierungsmission: Annemarie Harant (l.) und Bettina Steinbrugger. - © Vincent Sufiyan
Auf Enttabuisierungsmission: Annemarie Harant (l.) und Bettina Steinbrugger. - © Vincent Sufiyan

Was versprechen Sie sich von der Enttabuisierung des Themas?

Obwohl es in Österreich aktuell 2,3 Millionen "bloody women" gibt und Frauen insgesamt rund 5-7 Jahre in ihrem Leben "blutend" verbringen, ist Menstruation nach wie vor ein tabuisiertes Thema in unserer Gesellschaft, das auch von Frauen meist hinter vorgehaltener Hand besprochen wird. Das sehen wir auch als Grund dafür, dass der gesamte Bereich Frauenhygiene bisher bei der Bio-Debatte außen vor gelassen wurde. Bei Nahrungsmitteln und Kleidung ist es selbstverständlich, dass wir über die Inhaltsstoffe Bescheid wissen möchten. Bei Tampons, Binden und Slipeinlagen gibt es aktuell nicht einmal eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht der Produktbestandteile. Wir fordern, dass das eingeführt wird. Durch die Bewusstseinsarbeit der Erdbeerwoche sollen Frauen die Macht erkennen, die sie als Konsumentinnen von jährlich mehr als 45 Milliarden Hygieneprodukten haben.

Sie posten Dinge wie: "Ich liebe meine Erdbeerwoche". Frauen, die schon eimal Menstruationsschmerzen gehabt haben, sollen Ihnen das abkaufen?

Regelschmerzen sind nie lustig. Rund 75 Prozent aller Frauen haben leichte bis mäßig starke Beschwerden bei ihrer Regelblutung und 10 Prozent leiden sogar so stark unter ihren Regelschmerzen, dass sie in dieser Zeit ihrer Ausbildung oder ihrem Beruf nicht nachgehen können. Die Hauptaufgabe der Erdbeerwoche ist, über die Problematik von konventionellen Tampons, Binden und Slipeinlagen aufzuklären und Frauen durch die Vermittlung einer positiveren Einstellung zum eigenen Körper dazu zu bewegen, auch bei diesen Produkten die Auswirkungen auf die Umwelt und die eigene Gesundheit zu hinterfragen.

Was ist falsch an den herkömmlichen Tampons und Binden?

Konventionelle Tampons bestehen zu 90 Prozent aus einem Mix aus gebleichter und gepresster Zellulose, oftmals umhüllt von einer Kunststoffschicht. Letztere wird dabei immer wieder in Zusammenhang mit Hautreizungen und Infektionen im Intimbereich gebracht. Außerdem sind aus gesundheitlicher Sicht einige Substanzen bedenklich, die bereits in konventionellen Produkten gefunden wurden. Stoffe wie Dioxin und Formaldehyd wurde in der Plastikverpackung von Tampons gefunden, Phthalate - also Weichmacher - in der Klebefolie von Slipeinlagen, ganz zu schweigen von synthetischen Farb- und Duftstoffen.

Sie haben unlängst auf Facebook darauf hingewiesen, dass es offenbar sogar das umstrittene Herbizid Glyphosat, das im Frühjahr von der Weltgesundheitsorganisation als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft wurde, irgendwie in die Tampons schafft. Was wissen Sie davon?

Aus vorherigen Studien wissen wir, dass bei den Rohstoffen, die in Tampons und Binden verarbeitet werden, immer wieder gesundheitlich bedenkliche Chemikalien und Inhaltsstoffe zum Einsatz kommen. Dass nun aber auch Spuren von Glyphosat in Hygieneprodukten gefunden wurden, schockiert uns zutiefst. Frauen müssen endlich darüber Bescheid wissen, was in den Produkten, die sie an der empfindlichsten Stelle des Körpers tragen, steckt.

Wie werden Ihre Produkte hergestellt? Wie stellen Sie sicher, dass sich in Ihren Materialien keine Giftstoffe befinden?