Wien. 3000 Juden leben heute in der Leopoldstadt. Vor der NS-Zeit (1938-1945) waren es noch an die 60.000. Dem damaligen, aber eben auch dem heutigen jüdischen Leben widmet das Bezirksmuseum Leopoldstadt einen Teil seiner Dauerausstellung, der nun neu gestaltet und Montag Abend, auch in Erinnerung der Novemberpogrome von 1938, eröffnet wurde.

Ihm sei es wichtig gewesen, dabei eben nicht "in der Vergangenheit stecken zu bleiben", betonte Museumsleiter Georg Friedler. Zu Wort kommen in der modern gestalteten Schau beispielsweise drei zeitgenössische Literaten, die heute alle auf der Mazzesinsel leben: Doron Rabinovici, Robert Menasse und Robert Schindel. Einer, der aus der Leopoldstadt 1990 auszog, um in den USA seinen Weg zu machen, und nun wieder nach Wien zurückkehrte, um hier das Wienmuseum zu leiten, ist Matti Bunzl. "Ich bin ein Jude aus dem 2. Bezirk", meinte er Montag Abend, damals wie heute lebe er beim Praterstern.

Und wenn er an Orte wie dieses Bezirksmuseum komme, dann wisse er, dass es richtig gewesen sei, zurückzukehren. Denn, wie man in Amerika sage, "they are fighting the good fight". "Nicht alles ist perfekt, wenn wir über die jüdische Geschichte nachdenken. Ausgrenzung war ein großes Problem und ist es noch." Die Zivilgesellschaft mache aber vieles möglich. In der Vergangenheit stecken zu bleiben, ist das eine. Ohne eine Rückschau geht es bei diesem Thema aber auch nicht.

Ghetto im Karmeliterviertel


Die Schau zeichnet die Geschichte des Ghettos nach, das ab 1626 auf der "Heide" - das Gebiet rund um das heutige Karmeliterviertel - entstand. Ab 1668 durften die Juden, die sich hier angesiedelt hatten, das Ghetto nicht mehr verlassen, 1670 kam es zur gewaltsamen Vertreibung. 200 Jahre später gewährte das Staatsgrundgesetz Juden Gleichberechtigung. Aus allen Teilen der Monarchie strömten nun Juden nach Wien.

Nach dem Ersten Weltkrieg lebten 180.000 Juden in der Bundeshauptstadt - 60.000 davon in der Leopoldstadt. Die Zeithistorikerin Brigitte Bailer-Galanda, frühere Leiterin des Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW), hat jenen Teil der Ausstellung beigesteuert, der sich mit dem schon lange vor 1938 aufkommenden Antisemitismus befasst, mit den Anfängen des Nationalsozialismus und schließlich der Vernichtungspolitik des NS-Terrorregimes.

Zusammengetragen haben Friedler und sein Team hier auch einige sehr anschauliche Objekte: wie etwa den "kleinen Ariernachweis" von Raoul Brunner, welcher diesen als "Mischling ersten Grades" ausweist. Brunner lebt bis heute in der Leopoldstadt. Seine Mutter sei jüdisch gewesen, verriet er beim Smalltalk im Anschluss an die Ausstellungseröffnung. Aber die Nazis hätten ja keine Ahnung von der Halacha gehabt, fügte er schmunzelnd hinzu. Soll heißen: Nach jüdischem Religionsgesetz gilt er als Jude. Halb- und Vierteljuden sind eine Erfindung der Nazis. Das Judentum kennt nur Juden und Nichtjuden.