"Gemischtrassige Familien"
Berührend auch die Geschichte eines stark beschädigten Türflügels. Dieser wurde dem Museum von der Frau Friedlers - Gilda Friedler - zur Verfügung gestellt. Sie gehörte zu einer früheren Sammelwohnung "für gemischtrassige Familien" in der Krummbaumgasse 1, in der ihre Großeltern die NS-Zeit überlebt hatten. Einmal hatte die SA (Sturmabteilung, Kampforganisation der Nazis, Anm.) versucht, die Tür aufzubrechen, was man ihr bis heute ansieht. Doch ein Blechbeschlag auf der Innenseite der Wohnungstür verhinderte dies.
Auch Gilda Friedler sei in dieser Wohnung groß geworden - "in vollem Bewusstsein, was dort einmal vor sich gegangen ist", wie ihr Ehemann sichtlich gerührt erzählte. Dass die Vergangenheit sich für viele in die Gegenwart eingeschrieben hat, dokumentiert auch der Text, den Robert Menasse beigesteuert hat: "Ich war immer so rastlos, bin viel gereist, habe da und dort gelebt, es war, als hätten sich Flucht- und Exilerfahrungen der Vorfahren irgendwie seelisch vererbt, obwohl ich doch in Friedenszeiten zur Welt gekommen und in sozialer und familiärer Sicherheit aufgewachsen bin. Schreibheft und Füllfeder in der Jacke, ein Koffer mit dem Notwendigsten bei Fuß - so lebte ich in Sehnsucht nach Heimat, indem ich sie mied.
Es dauerte, bis ich begriff, dass Heimat ist, wo Kindheit war, wo mein Leben begann, an der Hand geführt von Überlebenden, in der Judenstadt, der Leopoldstadt. Ich bin angekommen." Robert Schindel konferiert in seinem Beitrag mit "Steinen der Erinnerung", die es inzwischen seit zehn Jahren in Wien gibt. "Wenn ich durch die Leopoldstadt gehe, durch meinen 2. Bezirk, wenn ich durch die Rembrandtstraße schlendere, höre ich gelegentlich durch den Autolärm durch ein Wispern, ein stetes Gemurmel: Du gehst hier herum und tust, als sei nichts gewesen; aber wir müssen in den Wolken liegen. Die Stolpersteine geben den Stimmen zwar Namen, aber sie wispern weiter. Auf Rembrandtstraße 32 steht der Name meines Großvaters Salomon und meines Onkels Georg. Sie liegen unterm Rumbulawaldboden zu Riga. Ich beuge mich zum Stolperstein hinunter, um zu lauschen. Aber beide schweigen. Nun wohnen wieder ein paar Juden im Zweiten. Ich auch."