Wien. Beim Begriff "Crowdfunding" kommen einem normalerweise kleine, ambitionierte Start-ups in den Sinn, die sich ihr nötiges Eigenkapital über Plattformen wie Kickstarter oder GoFundMe holen. Neuerdings setzen aber auch etablierte Unternehmen wie Gemüselieferanten auf dieses Finanzierungsmodell.

Die Genossenschaft LGV-Frischgemüse eröffnet Ende Mai am Naschmarkt zusätzlich zu ihrem Direktvertrieb ein "Gärtnergschäftl". Die für das Projekt benötigten 420.000 Euro zahlt das Unternehmen aber nur zum Teil aus eigener Tasche, wie Geschäftsführer Florian Bell erklärt. Den Löwenanteil von 270.00 Euro holt es sich über eine Crowdfunding-Plattform für Unternehmen.

Nicht nur für Start-ups


Beim klassischen Crowdfunding pumpen Start-ups quasi ihre zukünftige Klientel an, für ein Produkt oder eine Dienstleistung, die es zum Zeitpunkt der Sammelaktion oft nur auf dem Papier gibt. Im Gegenzug werden Belohnungen wie Vorgriffsrechte auf die Produkte, exklusive Zusätze oder die Möglichkeit einer direkten Mitwirkung geboten, nach Höhe der Spendenbeträge gestaffelt.

Dieser Finanzierungsweg, auf dem die Jungunternehmer nebenbei auch ihre Community für das Projekt begeistern und stärken können, ist oft der effektivste Weg einer Finanzierung und eine attraktivere Variante zu einem Bankdarlehen. Denn das Geld muss beim Crowdfunding nur an die Unterstützer zurückgezahlt werden, wenn das Spendenziel nicht erreicht wird, darüber hinaus kann das Start-up frei darüber verfügen.

Wobei der Begriff "Crowdfunding" im Fall der LGV nicht ganz stimmt. Es handelt sich hierbei vielmehr um "Crowd Investing". "Otto Normalverbraucher kann so sein Geld in einem etablierten Unternehmen anlegen", erklärt Wolfgang Deutschmann, Gründer und Geschäftsführer der Crowd-Investing-Plattform "Lion Rocket".

Haben etablierte Unternehmen wie die LGV, die im vergangenen Geschäftsjahr 65 Millionen Euro Umsatz gemacht hat, es überhaupt nötig, auf diesem Wege die Hand aufzuhalten? Für Deutschmann eine berechtigte Frage, auf die er eine Antwort hat: Ja.

Mehr als 14.000 Investoren


Banken würden aufgrund der internationalen Regelungen immer strengere Rahmenbedingungen für die Finanzierung stellen. Per Crowd Investing können sich Firmen aber eigenkapitalähnliche Mittel beschaffen, so Deutschmann. Er gründete die Plattform 2013 als Teil der Rocket Holding, die bereits ähnliche Unternehmen, nämlich Green Rocket für Start-ups und Home Rocket für Immobilieninvestitionen auf die Beine gestellt haben. Mittlerweile sind mehr als 14.000 Investoren bei Lion Rocket gemeldet, 42 Unternehmen wurden mit 13 Millionen Euro gefördert. Ab 250 Euro ist man mit dabei, laut Deutschmann berappt ein Investor im Schnitt 1200 Euro.

Das Gärtnergschäftl der LGV ist das bisher größte Projekt auf der Plattform. In dem Laden mit Markthallencharakter wird die Genossenschaft ab Mai auf rund 100 Quadratmetern plus Gastrobereich einen Teil ihrer 38.000 Tonnen Gemüse, die ihre 107 Gärtnerfamilien in Wien und Umgebung anbauen, verkaufen.

Zinsen statt Goodies


Anders als beim Crowdfunding winken Investoren beim Crowd Investing keine Sachbelohnungen, sondern Zinsen. Ihr Geld wird als qualifiziertes Nachrangdarlehen mit einer Mindestlaufzeit von 4 Jahren behandelt. Wer sich beispielsweise bis 20. März dazu entschließt, das Gärtnergschäftl finanziell zu unterstützen, kann mit bis zu 7,5 Prozent Zinsen auf sein Darlehen rechnen.

Diese 7,5 Prozent bekommt man aber nur, wenn man sich dazu verpflichtet, mindestens drei LGV-Gärtnerkistl zu bestellen. Die Gemüsekisten haben einen Wert von je 20 Euro und werden frei Haus geliefert. Bis zu einem Investitionsbetrag von 800 Euro würde diese Zusatzbestellung die Darlehenszinsen auffressen, danach rentiert es sich zusätzlich zum Gemüse. Ohne Gärtnerkistl winken Anlegern 5 Prozent Zinsen, Spätinvestoren 4,5 Prozent. Spätestens nach Ende der Laufzeit wird das Darlehen zurückbezahlt.

Den größten Vorteil sieht Deutschmann beim Crowd Investing aber darin, dass es ein "wunderbares Kundenbindungsinstrument" sei. "Jedes Unternehmen, auch das kleinste, hat seine Fans und kann eine starke Community hinter sich haben", meint er.