Wien. Du kennst da diese Musikerin, sie macht abgespacte Elektronik, jedes Album eine sonische Odyssee, eine Achterbahnfahrt für die Ohrwascheln. Dein cooler Freund schwärmt ständig davon. Nur als diese geniale Musikgöttin am Wochenende seit langem wieder in der Stadt ist, ist diese andere Party gerade wichtiger. Und dann hörst du: Naja, es waren schon wenig Leute dort, das Wetter war nicht so besonders zum Rausgehen und das letzte Album war vielleicht nicht ganz "on point".
Sehr viele Veranstalter in Wien kennen dieses Problem. Das Fluc vielleicht am besten. Man macht avanciertes Programm, für das es Respekt von ein paar üblichen Verdächtigen gibt. Gefeiert wird aber woanders und mit teuren Sommerspritzern.
Beim Interview mit den Fluc-Verantwortlichen fällt dieser letzte Satz, den Adorno vor mehr als 60 Jahren so ähnlich formuliert hat: "Es ist eben wirklich schwer, das richtige Leben im falschen zu leben." Wie soll man das aushalten, in einer voll auf Geld ausgerichteten Gesellschaft, so zu leben, dass es wahr und richtig ist?
Inmitten von Fetzengeschäften und Branntweinern
Das Fluc probiert genau das seit 15 Jahren. Damals gab es keinen ausgefuchsten Plan, das Fluc passierte eher. Drei Künstler suchten einen Ort für ihre Veranstaltungsreihe fluctuated rooms und fanden am Praterstern ein leeres Geschäft. Die Gegend war damals für viele ein blinder Fleck, es gab Fetzengeschäfte, Altwarenhändler und mit den letzten Branntweinern der Stadt auch unzählige Alkoholiker. Der alte Bahnhof aus der Nachkriegszeit sollte weg und die neue U-Bahn und der Wohlstand her.
Es zischte, bratzte und brummte im alten, kleinen Fluc und das Zwerchfell bebte, wenn hier die Avantgarde laut aufgedrehte. Man war die Vorhut, künstlerisch und auch in Sachen Stadterkundung. Zur Fußball Europameisterschaft 2008 übersiedelte das Fluc dann ein paar Meter weiter in eine Unterführung. Mit Planetarium, Pratersauna, Praterdome und Vie I Pee entwickelte sich eine Party-Boom-Meile.
Immer wieder wurde das Fluc erweitert, hier eine Terrasse, dort Raucherbereiche, ein Lager oder zuletzt ein neuer Backstagebereich.
Man hatte ein gespaltenes Verhältnis zur Gentrifizierung in der Leopoldstadt. Das Fluc ist sozusagen Container gewordener Widerstand. Dieser Widerstand ist nun nicht immer leicht. In einem Buch über das Fluc, das randvoll ist mit klugen Gedanken, wird das Fluc euphorisch als Heterotopie beschrieben, ein Ort, an dem andere Ideen wirklich werden können, wo geträumt wird und in einen besseren Sonnenaufgang gesegelt. Immer wieder ist im Gespräch mit Martin Wagner und Peter Nachtnebel, den Hauptverantwortlichen im Fluc, die Rede von "filigranem Indie", um die Bandbreite dessen zu verdeutlichen, was sie hier unter einen einzigen Fußgängerpassagenumbauexperimentalcontainer bringen wollen. Jede Subkulturmusik in Wien ist hier im Programm zu finden, befindet der Programmverantwortliche Peter Nachtnebel.
Nur vermischen sie sich nicht so, wie man glauben könnte. Die Subszenen feiern nicht mehr miteinander, sondern nacheinander, es gäbe kaum Austausch, manchmal sogar Grabenkämpfe. Man müsse sich eher bemühen, genug Zeit zu lassen, damit sich das Publikum über einen Abend hinweg sortiert. Ob das daran liegt, dass viele Menschen heute nur noch schwer aus ihren Filterblasen kommen, darüber wollen sie nicht spekulieren.
In der eigenen
Blase ertappt
Aber Martin Wagner und Peter Nachtnebel wissen, dass sie selbst oft auch nicht besser sind und unter sich bleiben. Man spricht nicht einfach Fremde an, wenn drei Freunde da sind, die man lange nicht gesehen hat. Beim Konzert von Christiane Rösinger sei letztens ein extrem homogenes Publikum gewesen, viele Lehrbeauftragte und Künstlerprekariat, gleiches Alter, gleiche Klamotten, man ertappt sich in seiner eigenen Blase.
Aber sie arbeiten hart für den Anspruch, allen Spielarten und künstlerischen Szenen einen Raum zu bieten. Anderswo bekommt man dafür sogar Millionen an Förderung, man muss dafür nicht einmal Festwochen, Donaufestival oder Elevate Festival heißen. Der Jazzer Joe Zawinul hatte vor zirka 15 Jahren für seinen Club Birdland von der Stadt einen Baukostenzuschuss von zehn Millionen Schilling bekommen.
Aber Martin Wagner und Peter Nachtnebel sind nicht die Typen, die gerne wöchentlich im Bezirk oder beim Kulturstadtrat vorstellig werden, oder die - wenn es hart kommt - laut poltern.
Vor sechs Jahren war die finanzielle Situation schon einmal recht angespannt, man sei aber nicht weiter als bis zur Sekretärin vorgedrungen. Dabei hilft es auch nicht, dass das Fluc als Club wahrgenommen wird, obwohl dort ein internationales Kunstprogramm geboten wird, mit Performances und Ausstellungen.
Clubs müssen sich in den Köpfen von Funktionären mit Bier und Ballermann ausgehen, also rein kommerziell. Das Fluc bekam zur Eröffnung 170.000 Euro vor allem als Sachleistungen einer städtischen Baufirma. Investiert wurde natürlich viel mehr, laufend, mindestens eine Million Euro. Seither muss man am Markt bestehen.
Und vom Markt ist im Laufe des Gesprächs immer wieder die Rede. Ganz ehrlich, man müsse zugeben, dass man im Fluc sehr damit beschäftigt ist, dieses Schiff im finanziellen Fahrwasser zu halten, meint Martin Wagner. Das sei sehr anstrengend neben allem Ideellen, das man hineinbuttert. Wenn dann noch Vorwürfe aus der linksalternativen Szene kommen, die das Fluc als "Kapitalistenschweine" bezeichnen, weil die Mieten oder das Bier zu teuer wären, zehrt das an den Nerven. Oder auch wenn Leute behaupten, die Securities wären rassistisch oder homophob. Letztes Jahr nahmen sexuelle Übergriffe deutlich zu. Das Team reagierte mit Flyern, dass so etwas nicht tolerieren wird, und bat darum jede Belästigung sofort den Securities zu melden. Die Aktion war ein Erfolg, die Beschwerden sind massiv zurückgegangen.