Allerdings will nicht jeder nach dem Tod im Internet weiterexistieren. Daher bietet die "Bestattung Wien" seit einigen Jahren einen sogenannten "Digitalen Nachlass Service" an, bei dem das gesamte Netz nach Benutzerkonten, Verträgen und Co. des Verstorbenen durchforstet wird. Diese Daten werden anschließend gelöscht und können von niemandem mehr aufgefunden werden. Dieser Vorgang wird laufend aktualisiert, dokumentiert und soll dadurch einen komplett eliminierten digitalen Nachlass garantieren.

Wie mit dem Thema des digitalen Nachlasses umzugehen hat, ist in jedem Staat verschieden. In Österreich etwa ist das Ganze rechtlich noch völlig ungeklärt. Zu Komplikationen kommt es vor allem dann, "wenn digitale Dienste ihren Firmensitz im Ausland haben und die Konten zwar vom Erben übernommen werden können, die bisherigen Nachrichten aber wegen der Persönlichkeitsrechte nicht eingesehen werden dürfen", informiert der Bestattungsdienst "Unvergessen".

Außerdem sei es schwierig, alle Daten eines Toten zu finden und sich zu vergewissern, dass nicht noch ein offenes Konto oder laufende Rechnungen existieren.

"Unvergessen" empfiehlt die Vermeidung solcher Komplikationen durch Aufzeichnungen aller wichtigen Zugangsdaten zu Lebzeiten: "Es gibt viele Möglichkeiten, mit denen man Hinweise auf digitalen Nachlass zurücklassen kann: Digital zum Beispiel kann man den Hinterlassenen die Suche mithilfe einer Software für Passwortmanagement ersparen. Auch auf Papier, in einem Dokumentenordner oder beim Notar können Daten hinterlassen werden."

Vergessen dürfen


Jörg Matthes, Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, zeigt jedoch auf, dass es nicht zu 100 Prozent möglich ist, Dinge aus dem Internet zu löschen: "Wenn sich Informationen mit anderen Spuren oder Erinnerungen vermischen, die andere sehen können, haben diese Personen ebenfalls die Möglichkeit, diese Daten erneut hervorzubringen oder online zu stellen." Grundsätzlich sei das Vergessen natürlich genauso wichtig wie das Erinnern. "Im Grunde genommen ist vergessen nichts Anderes als eine Form der Psychohygiene. Nur wenn ich Dinge vergessen beziehungsweise ausblenden kann, kann ich auf Dauer mit mir selbst im Reinen sein.", meint Matthes. Die Dinge zu vergessen, ist für Moritz Z., einem Grafiker in Wien, jedoch ganz und gar nicht einfach: "Das ist schon spooky, ich bin seit einem Jahr mit einem Toten befreundet und traue mich weder ihn zu löschen noch sein immer noch existierendes Facebookprofil bei seinen Verwandten anzusprechen. Ich habe Angst, sie könnten es mir Übel nehmen."

Mit der Situation abzuschließen ist ebenfalls schwierig, da der Tote vor kurzem "Geburtstag" hatte und viele seiner Facebook-Freunde Geburtstagswünsche auf seiner Pinnwand hinterließen. Der Tod seines Freundes bleibt für Moritz also stets präsent und diese ständige Erinnerung an ihn belastet ein bis jetzt übliches Verabschieden von dem Verstorbenen.

"Natürlich ist aber nicht zu vergessen, dass jeder Mensch andere Vorstellungen hat: während der eine sich erhofft, mit seiner digitalen Präsenz für immer unvergessen zu bleiben, wünscht sich ein anderer vielleicht nichts anderes als einen sauberen Abgang", sagt Matthes.

Es sei vor allem sehr wichtig, die Freiheit zu haben, sich sowohl erinnern zu dürfen, als auch vergessen zu können. Beides seien berechtigte Grundbedürfnisse, zwischen denen jedes Individuum die Möglichkeit haben sollte, selbst zu wählen.