Wien. 1965 veröffentlichte die katholische Kirche "Nostra aetate" eine Erklärung über das Verhältnis zu nicht-christlichen Religionen. Herzstück ist die Auseinandersetzung mit dem Judentum, in dem antijüdischer Theologie und Dogmen eine klare Absage erteilt wird. Eine Kommission von Rabbinern der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER), des Rabbinical Council of America (RCA) und des Oberrabbinats Israel unter Vorsitz des Wiener Oberrabbiners Arie Folger arbeiteten jüngst eine rabbinische Antwort auf "Nostra aetate" aus, die nun zu einer Leitlinie der christlich-jüdischen Zusammenarbeit werden soll.

Ende August erfolgte die offizielle Übergabe an den Papst - diesen Donnerstag übergab die Führung der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien eine Kopie des Dokuments mit dem Titel "Zwischen Jerusalem und Rom" an Kardinal Christoph Schönborn.

IKG-Präsident Oskar Deutsch meinte in seiner Einleitung scherzhaft, es sei nun an den Rabbinern zu erklären, warum sie über 50 Jahre gebraucht hätten, "Nostra aetate" zu beantworten. Replik von Kardinal Schönborn: "Sie finden, 52 Jahre ist eine lange Zeit? Ich finde 1965 Jahre eine lange Zeit, bis ‚Nostra aetate‘ geschrieben wurde. Da brauchen Sie wirklich kein schlechtes Gewissen zu haben."

Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister betonte, heute wisse man im Rückblick, dass die katholische Kirche mit "Nostra aetate" den Grundstein zu einem neuen Umgang mit dem Judentum gelegt habe. Damals sei eine Erklärung vorgelegt worden. In den Jahrzehnten bisher sei diese aber auch mit Leben erfüllt worden. "Es wurde ein neuer Anfang geschaffen - wie bedeutend dieser Anfang war, kann man aber erst retrospektiv erkennen." Gemeinsamer Anknüpfungspunkt sei damals die Person Jesus gewesen - heute wisse man, dass sich mit Jesus auch der größte Unterschied zeige. "Erst jetzt, über 50 Jahre später, sind wir tatsächlich auf einer Augenhöhe angekommen." Und auch erst mit "Nostra aetate" habe sich eine Kultur des interreligiösen Dialogs in Österreich entwickeln können.

In dem nun vorliegenden rabbinischen Dokument heißt es dazu: "Aufgrund der langen Geschichte des christlichen Antijudaismus bezweifelten anfangs viele hochrangige Vertreter des Judentums die Ernsthaftigkeit der Annäherung der Kirche an die jüdische Gemeinschaft. Mit der Zeit zeigte sich, dass die Veränderungen in der Haltung und der Lehre der Kirche nicht nur ernsthaft, sondern auch immer tiefgreifender werden, und dass wir in eine Phase der wachsenden Toleranz, des gegenseitigen Respekts und der Solidarität zwischen den Mitgliedern unserer beiden Glaubensgemeinschaften eintreten."