Hier hakte auch Folger ein: Nach langer Zeit der Judenmission durch die katholische Kirche sei "Nostra aetate" im Rückblick "eine echte Wende". Religiös motivierter Antisemitismus habe in der katholischen Kirche heute keinen Platz mehr - nun gehe es aber darum, noch mehr zu erreichen. Eine wirkliche Zusammenarbeit. Das Wichtigste dabei: "Die Anerkennung der Andersheit", so Schönborn. Damit unterstreicht er - wie auch das Dokument "Zwischen Jerusalem und Rom" - die theologischen Unterschiede zwischen Judentum und Christentum. Diese Unterschiede sollten aber "unserer friedlichen Zusammenarbeit zum Wohl unserer gemeinsamen Welt und der Kinder des Noach nicht im Weg stehen", so die Rabbiner in ihrer Erklärung. "Deshalb ist es erforderlich, dass unsere Glaubensgemeinschaften sich weiterhin begegnen, miteinander vertraut werden und das Vertrauen des jeweils anderen gewinnen."

Das Dokument sei daher auch "ein Arbeitsauftrag", so Schönborn - "und ein Zündholz". Ein solches brenne aber nicht sehr lange. Man müsse damit daher rasch Kerzen anzünden. "Es geht nicht um die Worte, es geht um die Taten." Er freue sich aber, dass die erste Kerze bereits entzündet worden sei: das von der Kultusgemeinde und der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems gemeinsam getragene Rabbiner David Feuchtwang D-A-CH Kompetenzzentrum für jüdische Religions-, Hebräisch/Iwrit- und Jüdische Studienpädagogik für den deutschsprachigen Raum. Die nach einem früheren Wiener Oberrabbiner benannte Einrichtung wurde am Donnerstag mit demselben Festakt eröffnet, in dessen Rahmen auch die Übergabe der rabbinischen Antwort auf "Nostra aetate" an Schönborn stattfand. Auf der Plattform der KPH Wien/Krems wird künftig im Verbund mit der Kirchlichen Hochschule, aber dennoch unabhängig und der jüdischen Tradition verhaftet die Ausbildung jüdischer Religionslehrer und -lehrerinnen erfolgen, erklärte der Gründungsdirektor des Zentrums, Awi Blumenfeld.

Er stellte in seiner Antrittsvorlesung zur Institutseröffnung die Bildung in den Mittelpunkt. Religion sei ein wesentlicher Faktor im edukativen Prozess von Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen. Erziehung wiederum sei eine Brücke der Verbesserung der Welt. Vor noch 50 Jahren wäre eine gemeinsame Basis der religionspädagogischen Ausbildung nicht möglich gewesen. Mit dem neuen Zentrum werde nun "Tacheles" gesprochen und gezeigt, "dass Juden und Christen Gesagtes nicht nur postulieren, sondern gemäß dem Diktum der Mishna - sprich wenig und tue umso mehr - auch umsetzen".