Wien. "Kasperl! Hinter dir!!!" Zwei Dutzend Kinder brüllen sich die Seele aus dem Leib, während Thomas Ettls linke Hand sich von hinten an seine rechte Hand anschleicht. Die Aufregung ist begründet, steckt doch Ettls linke Hand im Krokodil, dem der Praterkasperl auf seiner rechten Hand gleich mit der Pritsche eins überziehen wird.

An diesem Dienstagnachmittag ist die Kasperlwelt im Wiener Prater noch in Ordnung - in der folgenden Nacht aber herrscht helle Aufregung der ganz anderen Art. Da bricht nämlich ein 36-Jähriger gegen 22.30 Uhr ins Kasperltheater am Wurschtelplatz 1 ein und sorgt für einen lustigen Tweet der Wiener Polizei: "Taritara die Polizei ist da!" Der Link führt zu einer Presseaussendung mit dem Titel "Hurra! Ein Tatverdächtiger war noch da - Festnahme." Die Wiener Polizei beweist damit Humor - und tritt in weiterer Folge in ein kleines Insider-Fettnäpfchen. Denn am Ende des Tweets heißt es: "Kasperl, Großmutter und Pezi sind wohl auf."

Dabei weiß doch jedes Kind, dass der Pezi in der Urania zuhause ist und der Praterkasperl einen ganz anderen Juniorpartner hat: nämlich die blaue Ente Boing. Dieses kleine Detail am Rande bringt Ettl zum Schmunzeln, nachdem er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" festgestellt hat: "Wir hatten noch einmal Glück im Unglück." Denn weggekommen worden dürfte nichts sein, die Polizei konnte den mutmaßlichen Täter unmittelbar nach der Tat fassen und dabei einen Fahrzeugschlüssel, ein Armband, eine Tube Kunstblut und zwei 100-Euro-Spielgeldscheine sicherstellen.

Gags für die Eltern

Das Detail mit Boing und Pezi ist übrigens gar nicht so unwesentlich, ist doch gerade die Abgrenzung zur Urania zuletzt beim Praterkasperl als Gag vorgekommen. Die Kinder haben es freilich nicht mitbekommen, die anwesenden Eltern schon. "Letztendlich entscheiden ja die Erwachsenen, ob sie mit dem Kind ins Kasperltheater gehen. Deswegen machen wir auch zwischendurch Scherze, die für die Handlung und für die Kinder keine Bedeutung haben. Aber die Erwachsenen wissen, was gemeint ist", erklärt Ettl, der seit bald 30 Jahren sechsmal pro Woche Kasperl und Krokodil spielt. Seine Leidenschaft für den Praterkasperl, der seinerseits als Institution mehr als 250 Jahre unter der Zipfelmütze hat, finanziert sich der studierte Publizist und Theaterwissenschafter mit einem Job in der Nachtproduktion eines Medienunternehmens. Auch die Holzfiguren haben schon viel erlebt, sind zum Teil zehn Jahre alt. "Der Kasperl muss öfter hergerichtet werden", erzählt Ettl, "weil er sich ja ständig die Pritsche an die Wange hält und da was abbekommt."