Wien. Es riecht nach Putzmittel. Aus den Boxen dudelt weichgespülte Musik, zwischendurch hallt ein energisch-aggressives "Kassa bitte" durch die verfliesten Gänge. Einkaufen im Supermarkt kann zur Nervenprobe werden. Doch immer mehr Wiener entziehen sich dieser Atmosphäre. Einkaufen gehen sie lieber auf den Markt. Laut Marktamt steigen die Besucherzahlen seit neun Jahren. Waren es 2009 noch wöchentlich 296.000 Menschen, so sind es heute 350.000. Die Grünen wollen diesen Trend weiter befeuern. Sie fordern Markthallen für Wien.

Rüdiger Maresch, Gemeinderatsabgeordneter und Marktsprecher der Grünen, verweist auf die Markthallen in Lissabon, Barcelona, Rotterdam. "Das sind die sozialen Zentren der Stadtviertel", sagt er. "Die Leute der Nachbarschaft treffen sich, gehen einkaufen, essen und trinken."

Für Wien kann sich der Marktsprecher das auch vorstellen. Geeignete Standorte wären seiner Ansicht nach die beiden Stadtentwicklungsgebiete Nordbahnhof und Nordwestbahnhof im 2. und im 20. Bezirk. Im Nordbahnhofviertel gebe es etwa eine ehemalige Bushalle, in der sich derzeit ein Supermarkt befindet, erklärt Maresch. Diese wäre ideal. Ein kompletter Neubau sei aber auch möglich.

Bis 2002 als Markt in Betrieb , die Halle im 9. Bezirk. - © CC/Gross
Bis 2002 als Markt in Betrieb , die Halle im 9. Bezirk. - © CC/Gross

Frische Waren, Imbisse,
Kultur, Start-ups

Als weiteren Standort sieht er den Parkplatz am Ende des Naschmarkts, an Samstagen befindet sich dort ein Flohmarkt. Wie in Lissabon könnten die Markthallen bis 22 Uhr geöffnet sein. Neben frischen Waren soll es auch Imbisse, Kultur und Start-ups geben, erklärt der grüne Marktsprecher.

Der Meiselmarkt ist der einzige überdachte Markt in Wien. - © MA59
Der Meiselmarkt ist der einzige überdachte Markt in Wien. - © MA59

Keinen Kommentar dazu gibt es von der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" wollte sie sich zu dem Vorstoß der Grünen nicht äußern.

In Wien gibt es mit dem Meiselmarkt im 15. Bezirk nur einen Markt, der nicht unter freiem Himmel abgehalten wird. Er befindet sich in einem ehemaligen Wasserspeicher. Die einzige noch bestehende Markthalle steht im 9. Bezirk an der Ecke Nußdorfer Straße Alserbach Straße. Sie steht unter Denkmalschutz. Seit 2002 wird sie von einer Supermarktkette als Filiale genutzt, im ersten Stock befindet sich ein Restaurant.

Seit jeher hatten Markthallen einen schweren Stand in Wien. Die ersten Hallen wurden mit dem Tandlermarkt bei der Rossauer Kaserne und an der Landstraßer Hauptstraße in den 1860er Jahren errichtet. Sie sollten als Konkurrenz die bestehenden Märkte unter Druck setzen und damit die Preise der Nahversorgung senken. 1871 entstand die Zedlitzhalle im 1. Bezirk, die einzige Wiener Markthalle aus Stahl und Glas. Bei der Bevölkerung fand sie wenig Zuspruch.

Das änderte sich mit der Umfunktionierung der Esterhazy-Reiterschule in eine Markthalle im Jahr 1877. Ihr folgten der Bau vier neuer Markthallen, darunter jener an der Ecke Nußdorfer Straße Alserbach Straße, sowie am Phorusplatz, zwischen Neustiftgasse und Burggasse und neben dem Rathaus in der Doblhoffgasse.

Das rote Wien konnte sich mit den Hallen jedoch nie wirklich anfreunden. Die Genossen bevorzugten stattdessen Supermärkte. Wien hat heute im Städtevergleich eines der dichtesten Netze an Supermärkten. Die Markthallen wurden eine nach der anderen abgerissen. Als Letztes der Landstraßer Markt im Jahr 2008. Er musste der Errichtung des Einkaufszentrums "The Mall" in Wien Mitte weichen.