
Wien. Die großen Räume sind lichtdurchflutet, Gymnastikbälle statt Sessel, Platz nimmt man auf Holzpaletten. Ein klassisches Start-up-Büro könnte man meinen. Der Arbeitsplatz von Madeleine Alizadeh, Österreichs bekanntester Bloggerin, versprüht Start-up-Atmosphäre. Alizadeh ist 29 Jahre alt und verdient ihr Geld mit dem, was andere in ihrem Alter in der Freizeit machen: Fotos von ihrem Alltag und ihren Reisen auf Instagram teilen. Alizadeh, besser bekannt als "DariaDaria", hat mehr als 165.000 Fans auf Instagram und, eine eigene Modelinie. In ihrem Podcast "a mindfull mess" spricht sie über Feminismus und Nachhaltigkeit. Der "Wiener Zeitung" hat die Wienerin erzählt, wie das Leben einer "Influencerin" aussieht.
"Wiener Zeitung": Was ist die Intention hinter Ihrem Internetauftritt? Was möchten Sie Ihren Fans mitgeben?
Madeleine Alizadeh: Ich habe das vor vielen Jahren ohne irgendein Kalkül gestartet. Die Themen sind mir zugeflogen. Heute beschäftige ich mich vor allem mit Nachhaltigkeit und Achtsamkeit und versuche, einen achtsamen Umgang mit Ressourcen zu vermitteln. Ich will die Leute irgendwie zur Eigeninitiative und Selbstverantwortung bringen.
Aber steht Ihre ökologische Mission nicht im Widerspruch zu Ihren Fernreisen?
Das ist schwierig, weil das eine ganz individuelle und persönliche Entscheidung ist. Wie man die Grätsche macht, liegt im eigenen Ermessen und entscheidet sich jeden Tag neu. Ich versuche, so viel wie möglich mit dem Zug zu fahren. Kurzstreckenflüge meide ich so gut es geht, aber bei Langstrecken geht das nicht. Das ist ein Part von meinem Leben, den ich noch nicht gewillt bin, einzuschränken. Natürlich versuche ich, nicht für eine Woche nach Bali zu fliegen (wo sie Urlaub bzw. Yoga machte, Anm.), sondern dann gleich zwei bis drei Monate dort zu bleiben. Bei Projekten, wie zum Beispiel eine Woche Mosambik (wo sie für "Licht in die Welt" vor Ort war, Anm.), frage ich mich zuerst immer: Ist der Mehrwert, der da dabei herausspringt, die Emissionen wert? Da versuche ich abzuwägen und zu differenzieren.
Nachhaltigkeit ist Ihnen wichtig. Warum wird Ihre Modelinie in Bangladesch produziert, obwohl das doch ziemlich verpönt ist?
Der Hersteller, den ich dort gefunden habe, hat alle Zertifikate. Es ist ein holländisches Unternehmen. Die achten irrsinnig drauf, dass alle Vorlagen eingehalten werden. Dazu war mir der Preis wichtig. Wenn ich in Deutschland produzieren würde, könnte es sich niemand mehr leisten. Man braucht das Billiglohnland, um einen gewissen Preis anbieten zu können, und kann dort die Umstände ändern, indem man die Nachfrage nach ethisch hergestellter Kleidung aufrechterhält. Wenn ich das komplett verweigern würde, würden die Menschen erst recht ihren Job verlieren. Man kann am Status quo nichts ändern. Ich bin ein großer Fan von der Theorie, dass man ein System von innen heraus am besten ändern kann.
Was würden Sie Personen raten, die ökologischer und nachhaltiger leben möchten?
Das Thema ist groß und erschlagend und man weiß nicht, wo man anfangen soll. Ich rate dazu, erst einmal nur weniger Plastik zu konsumieren oder mit einer Stofftasche einkaufen zu gehen und das dann langsam zu steigern. Man muss achtsamere Entscheidungen treffen. Es reicht aber nicht, dass man das ganze Leben lang nur Baby-Steps macht.
2015 sind Sie in die Mülltonne gestiegen, um auf die Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen. Wie ist es dazu gekommen?
Ich hatte schon viel vom Dumpstern (das Retten von noch genießbaren Lebensmitteln aus dem Müll, Anm.) gehört. Es hat mich einfach interessiert, das selber auszuprobieren. Dafür habe ich dann via Social Media gefragt, ob mich wer mitnimmt. Ich habe zwei verschiedene Gruppen begleitet und das filmisch verfolgt. Viele haben so eine Hands-on-Attitüde von mir nicht erwartet. Ich versuche immer, alles so nah wie möglich zu erleben, aber würde das auch nicht jeden Tag machen.
Auf Instagram haben Sie kürzlich ein Nacktfoto gepostet, um auf Ihren Blogbeitrag zur Klimakrise aufmerksam zu machen. Warum?
Es zieht Aufmerksamkeit auf sich. Wenn ich mir meine Instagram-Statistik ansehe, sieht man, dass Fotos, auf denen ich nackt oder halbnackt zu sehen bin, am meisten "Gefällt mir" bekommen. Dann habe ich mir gedacht, ich nehme ein Thema, das weniger sexy ist, und mache es damit ein bisschen sexy, damit die Leute darauf schauen.
Ihr Internetauftritt sieht sehr professionell und aufwendig aus. Haben Sie Medienkooperationen oder Agenturen?
Ich habe weder eine Agentur noch dezidierte Medienkooperationen, aber ein Mini-Team aus Freischaffenden, manchmal auch geringfügig angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das variiert immer je nach Projekt. Für manche brauche ich einen Fotografen, für andere einen Videografen. Jetzt baue ich mir langsam ein kleines Management auf, wo mir eine Person assistiert und mit E-Mails und den ganzen Business-Geschichten hilft. Weiterführend habe ich noch externe Teams, wie zum Beispiel zur Distribution und Produktion meiner Kleidung.
Wie ziehen Sie die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben?
Man muss sehr konsequent sein und genau darauf achten, was man preisgeben will und was nicht. Als ich mich 2015 in Traiskirchen engagiert habe, wurde ich mit vielen Hass-Kommentaren aus der rechten Szene konfrontiert. Das hat mich stark belastet.
Wie gehen Sie dann mit dem Thema Hass im Netz um?
Ich habe lange gebraucht, bis ich einen Modus Operandi gefunden habe. Früher bin ich immer darauf eingegangen. Dann habe ich gemerkt, ich gehe auf vieles ein, das überhaupt nicht konstruktiv formuliert ist. Heute lösche, blockiere oder ignoriere ich Hate-Speech. Alles, was konstruktiv ist, diskutiere und bespreche ich weiterhin gerne.
Was waren Ihre aufregendsten Momente als Influencerin?
Als ich die Verhaltensforscherin Jane Goodall treffen durfte oder an irrsinnig tollen Orten wie dem Gaza-Streifen, oder im Irak war.