Ljubljana. In Sloweniens Hauptstadt wird nicht lange gefackelt, wenn es um die Mobilitätswende geht. Hier wird auch schon einmal die Verkehrshauptader Slovenska cesta gekappt. Mehr als 2000 Jahre lang war sie eine wichtige Verkehrsroute. Als Teil der Bernsteinstraße verband sie in der Antike den Mittelmeerraum mit dem Norden Europas. Auch danach mussten Reisende, Händler und Gesandte hier vorbei, wenn sie auf dem Weg von Venedig nach Wien waren.
Bis vor kurzem donnerte durch die Slovenska cesta noch der Stadtverkehr. Verkehrslärm, Staus und Unfälle gehörten zur Tagesordnung. Nun wurde der Verkehrsfluss gestoppt. Eine Baustelle versperrt den Weg der Nord-Süd-Achse, die durch die Innenstadt führt. Die Buslinien wurden umgeleitet und die Autofahrer mussten sich eine andere Straße suchen. Sperren durch Baustellen sind nichts Ungewöhnliches auf der Slovenska cesta. Doch dieses Mal werden hier nach der Baustelle keine Autos oder Motorräder mehr durchfahren. Die Slovenska cesta wird dann nur noch für Fußgänger, Radfahrer und den Busverkehr geöffnet sein. Radfahren war auf der Straße zuvor verboten.

"Alles hat ein Ende. Nichts bleibt für immer", sagt dazu Janez Kozelj, der das Autoverbot auf der Geschäftsstraße durchgesetzt hat. Der 70-Jährige ist Vizebürgermeister und verantwortlich für die Stadt- und Verkehrsplanung. "Die Straße war ein wichtiger Teil im Verkehrssystem", sagt er. Umso wichtiger war für ihn die Schließung der tausende Jahre alten Hauptverbindung. Es sei "ein symbolischer Akt" gewesen. "Eine starke Message", um den Bewohnern zu zeigen, dass er es ernst meint mit der Mobilitätswende.

Janez Kozelj - grau meliertes wuscheliges Haar, weißes Hemd und schwarze Hose - läuft in seinem Büro auf und ab, wühlt auf seinem Schreibtisch, kramt Statistiken hervor und zeigt immer wieder auf den Stadtplan, der auf der Wand hängt. Mit seinen Fingern umkreist er die Innenstadt Ljubljanas. Der größte Teil ist heute autofrei. Doch das sei nur der Anfang, sagt er. So wie in anderen europäischen Städten soll auch in Ljubljana die Dominanz des Autos gebrochen werden. "Wir folgen dem Trend, ohne zu zögern", betont Kozelj.
Autoanteil sank seit 2003 von 58 auf 42 Prozent
Als Beweis zeigt er auf eine Grafik mit der Entwicklung des Stadt-Verkehrs. Seit 2003 schrumpfte der Autoanteil von 58 Prozent auf 42 Prozent. Der Fußgängeranteil erhöhte sich im selben Zeitraum von 19 Prozent auf 30 Prozent. Der Öffi- und Fahrradanteil blieb mit 13 auf 16 sowie 10 auf 12 Prozent in etwa gleich. Die Zahlen gelten für ganz Ljubljana. In der City bewegt sich der Anteil des Autos hingegen nur noch im einstelligen Bereich.
Die rasanten Fortschritte haben sich herumgesprochen. Für 2016 wurde Ljubljana von der Europäischen Kommission der Titel Umwelthauptstadt Europas verliehen. Der Titel wird jährlich an eine europäische Stadt verliehen, "der es in besonderer Weise gelungen ist, Umweltschutz und wirtschaftliches Wachstum zu einer hervorragenden Lebensqualität ihrer Einwohner zu verbinden".
Kozelj lädt zu einer Radtour durch die "befreite" Innenstadt, wie er immer wieder betont. Der 70-Jährige schwingt sich auf sein Fahrrad, mit dem er jeden Tag zur Arbeit fährt. Von seinem Büro in der mittelalterlichen Mestni Trg geht es vorbei an dreistöckigen Barockhäusern, durch schmale Gassen mit kleinen Cafés und Restaurants und über den Fluss Ljubljanica. Entgegenkommende Touristengruppen, Kellner, die mit dem Tablett in der Hand zwischen Gasthaus und Schanigarten hin und her laufen, werden von Kozelj zügig umkurvt.
Noch eine kurze Steigung, dann bremst er ab: "Hier sind wir", sagt er mit einem Lächeln und zeigt auf sein Prestigeprojekt. Blitzblank leuchtet die weiße Fahrbahn der Slovenska cesta, die nun auf einer Ebene mit dem ehemaligen Gehsteig liegt. Eltern mit Kinderwägen, Radfahrer und Fußgänger teilen sich den Abschnitt. Am unteren Ende erkennt man die Baustelle, die den verkehrsberuhigten Teil von der Autostraße trennt.
Die Slovenska cesta sei eine heruntergekommene, graue Straße gewesen mit einer toten Erdgeschoßzone, sagt Kozelj. Der Verkehr, der hier auf der Straße war, sei ja auch nur durchgefahren. Ohne Nutzen für die anliegenden Geschäfte. Mittlerweile würden die Besitzer ihre Häuser herrichten. Die Gemeinde unterstützt die Renovierungen mit Förderungen.
Eishockey statt Riesenparkplatz
"Kommen Sie mit. Ich muss Ihnen noch etwas zeigen", sagt Kozelj und drängt zur Weiterfahrt. Es geht weiter auf einem Radweg neben einer Ausfallstraße in Richtung Triest. "Wenn man hier weiterradelt, kommt man ans Meer." Der 70-Jährige dreht um und fährt wieder in Richtung Zentrum.
Auf dem Trg Republike, dem Republiksplatz, bleibt er stehen. Der Platz ist ein Vermächtnis der Ära Sloweniens im sozialistischen Jugoslawien. Zwei graue Hochhäuser, die in den Himmel ragen, und das farblose Parlamentsgebäude stehen sich einander gegenüber. In der Mitte ein großzügig angelegter leerer Platz aus Beton. "Unsere letzte Errungenschaft", sagt der Vizebürgermeister und Stadtplaner stolz. "Das war ein Riesenparkplatz. Ein Opfer der Privatisierung. Der Platz gehörte einer Schweizer Firma. Jetzt gehört er der Öffentlichkeit." Auf die Frage, was hier nun geplant sei, antwortet er: "Alles, was Sie sich vorstellen können, kann hier stattfinden. Wir hätten hier sogar fast ein Eishockey-Spiel gehabt", erzählt er. Wegen Schlechtwetters musste das Spiel allerdings abgesagt werden.