Es hörte sich alles so vielversprechend an: ein Smartphone, das nach dem Baukastenprinzip funktioniert, bei dem Nutzer aus Einzelteilen ihr ganz eigenes Gerät zusammenfügen können. Ara nannte Google das Projekt, aus dem am Ende ein Modul-Handy hervorgehen sollte, dessen Komponenten frei wählbar sind. Mehrere Steckplätze waren vorgesehen, unter anderem für die Kamera, für den Lautsprecher - alles einsetz- und wieder herausnehmbar.

Ein Gerät dieser Art bleibt länger funktionsfähig, so der Gedanke. Gibt zum Beispiel die Batterie den Geist auf, wird sie mit ein, zwei Handgriffen ersetzt. Später wechselte Google jedoch zu einer abgespeckten Version, bei der wichtige Komponenten, unter anderem CPU und Display, nun doch fest im Rahmen saßen. Für 2017 hatte man den Verkaufsstart dieses nur noch teil-modularen Modells angekündigt. Doch daraus wird nichts. Zumindest vorerst. Ein Google-Sprecher meldete den Stopp des Ara-Projekts.

Das Aus für die Idee, Handys mit auswechselbaren Teilen zu bauen, muss der Rückzug Googles aber nicht bedeuten. Zumal es solche Geräte schon zu kaufen gibt. Das Fairphone 2 war das erste auf dem Markt. Hinter Fairphone steckt ein niederländisches Start-up, das "sozialen Wandel in die Technologiebranche bringen" will. Ein sehr ehrgeiziges Ziel. Im Smartphone verarbeitete Rohstoffe sollen so weit es geht konfliktfrei sein, also aus geprüften Minen stammen, die nicht in die Finanzierung von Bürgerkriegen verwickelt sind. Zweite Vorgabe: Die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten in China haben fair zu sein. Keine Ausbeutung in den Fabriken also.

Seit Ende 2015 ist das auf Android laufende Fairphone 2 im Online-Shop der Firma erhältlich. Kostenpunkt: 520 Euro. Tantal, Zinn, Gold und Wolfram sind bei dem Modell mittlerweile konfliktfrei. Auch durch den modularen Aufbau punktet es. Display, Akku, die Platine mit Prozessor und Arbeitsspeicher, Kamera und Lautsprecher lassen sich leicht wechseln. So kann jeder ein defektes oder verschlissenes Bauteil selbst ersetzen. Hat der Bildschirm einen Sprung, dann tauscht man ihn kurzerhand gegen einen neuen aus. Das soll die Langlebigkeit des Geräts erhöhen und das Elektronikschrottaufkommen reduzieren. Die nötigen Ersatzteile bekommt man im Fairphone-Onlineshop. Ein neues Display kostet dort 84, ein neues Kameramodul 34, eine neue Batterie 20 Euro.

Elektronikschrott durch Modularität zu verringern, wäre ein notwendiger Schritt. Im August 2015 erschien eine Studie, die zeigte, mit welchen Mengen wir es allein in Europa tun haben. In 28 EU-Ländern inklusive Norwegen und Schweiz werden insgesamt 9,45 Millionen Tonnen Elektroschrott unter anderem durch Smartphones produziert. Nur 3,3 Millionen Tonnen davon sind offiziell als gesammelt und recycelt gemeldet. Für den Rest, mehr als 6 Millionen Tonnen, gilt: nicht umweltverträglich verwertet oder nicht dokumentiert. Letzteres bedeutet, die Altgeräte verschwinden in unbekannten Kanälen.

Eine offene Plattform, auf der Hersteller eigene Module entwickeln können – diesen Ansatz fährt Circular Devices aus Finnland. Das Unternehmen hat das Puzzlephone entwickelt. Wie der Name schon sagt, ist es zusammensetzbar. Mehrere Komponenten sind in einem Modul untergebracht. Insgesamt gibt es drei "Puzzlestücke": Spine (Rückgrat) besteht aus Display, Lautsprecher, Ladestecker, Mikrofon, Anschlüssen. Heart (Herz) enthält unter anderem die Batterie. Und Brain (Gehirn) umfasst Prozessor und Arbeitsspeicher. Auch Circular nennt den Umweltschutz als Grund, ein modulares Handy zu bauen. Es sei damit nicht mehr nötig, ein neues Handy zu kaufen, wenn es einmal zu Boden gefallen ist. Die beim Sturz beschädigte Komponente wird stattdessen ersetzt. Ab diesem Herbst soll das finnische Zusammensteck-Handy in begrenzter Zahl erhältlich sein. Es gibt verschiedenen Ausführungen ab 300 Euro.

Auch LG versucht sich an der Modularität. Wieder mit einem anderen Ansatz. Die Südkoreaner setzen auf Erweiterbarkeit mittels Zusatzmodulen. Dadurch erhält das Gerät neue Funktionen. "Friends" heißen die Teile, die man hinzufügen kann. Dazu gehört ein Kameramodul, eine Virtual-Reality-Brille, eine 360-Grad-Kamera. Erweitern lässt sich auch das Lenovo Moto Z Play. Dieses Smartphone verwandelt sich, indem man ein Zusatzteil aufsteckt, in eine Kamera für Anspruchsvolle. Hasselblad True Zoom nennt sich das 300 Euro teure Extra-Modul, das der schwedische Kamera-Spezialist Hasselblad liefert. Das Moto Z Play besitzt zwar auch eine 16-Megapixel-Kamera, aber damit fotografiert man eben mehr oder weniger so wie mit jedem Smartphone. Das aufgesteckte Hasselblad-Modul ermöglicht dagegen richtiges Fotografieren, so das Versprechen. Man hat ein ausfahrbares Objektiv mit Zehnfach-Zoom. Blende und Brennweite lassen sich einstellen. Für Nutzer, die sich an den begrenzten fotografischen Möglichkeiten von Handys stören, könnte das Moto Z Play reizvoll sein.

Wie geht es weiter? Wächst das noch junge Segment der Modularen? Hat es Chancen auf dem hart umkämpften Smartphone-Markt, wo die Produktion der einzelnen Komponenten immer billiger wird? Bob O’Donnell von Technalysis Research aus den USA gab gegenüber Reuters zu Bedenken, dass austauschbare Teile das modulare Gerät sperrig machen, zudem sei die Produktion teuer. Ihn habe Googles Rückzug vom Ara-Projekt nicht überrascht. Was die Sache nicht einfacher macht: Ein Smartphone muss ausreichend gegen Wasser und Staub geschützt sein. Bei Modularen eine technische Herausforderung. Hinzu kommt, dass Nachhaltigkeit, um die es bei den neuen Geräten zum Teil geht, in der Branche keine große Rolle spielt. Sie hat ein Interesse an kurzen Kaufzyklen, denn die bringen Wachstum. Langlebigere Smartphones passen da nicht so gut ins Konzept.