Berlin. Die EU-Kommission will einem Zeitungsbericht zufolge noch in diesem Jahr eine rechtliche Empfehlung vorlegen, die den uneingeschränkten Zugang der Verbraucher zu allen Internet-Inhalten schützen soll. Die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtete am Dienstag unter Berufung auf die Kommission, Ziel sei die Stärkung der Netzneutralität. Kunden sollen mehr Rechte erhalten und die Anbieter zu mehr Transparenz verpflichtet werden.
Die Netzneutralität in Europa sei rechtlich nur wenig geschützt, sagte der Sprecher der EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes der Zeitung. "Da müssen wir nachbessern."
Netzneutralität: Gleiches Recht für alle Daten
Netzneutralität - der Begriff klingt sehr sperrig, doch ist es gar nicht so schwer zu erklären. Dahinter verbirgt sich ein Prinzip, dessen Abschaffung für alle Internetnutzer Konsequenzen hätte. Warum, wird in diesen Fragen und Antworten deutlich.
Wofür steht Netzneutralität?
Ob YouTube-Video oder Nachrichten von Spiegel Online, ob "World of Warcraft" oder "BitTorrent": Neutrale Netze leiten alle Inhalte durch, ohne nach der Herkunft der Datenpakete zu fragen. Die Netzbetrieber, darunter vor allem die großen Telekommunikationsunternehmen, kontrollieren nicht, welche Inhalte unterwegs sind. Ebenso wenig bremsen sie bestimmte Daten aus - etwa Filme aus Tauschbörsen, die oft mehrere Gigabyte groß sind.
Was sind die Argumente für Netzneutralität?
Befürworter sehen in neutralen Netze eine Voraussetzung für den Wettbewerb - und der dient dem Verbraucher. Das wird an einem Negativszenario deutlich: Was wäre etwa, wenn ein Provider mit einem Online-Kaufhaus kooperiert und dessen Konkurrenten ausbremst? Oder wenn nur eine Suchmaschine zugelassen wäre? Außerdem gilt das Prinzip als Garant für Innovationen. Weil die Kosten für ein digitales Kaufhaus, Blog oder Web-2.0-Portal vergleichsweise niedrig sind, versuchen Jahr für Jahr tausende Unternehmer ihr Glück. Viele scheitern, einige schaffen es. Auch heutige Größen wie Google, Amazon und Facebook fingen klein an.
Warum gibt es Bedenken?
Der Verkehr auf der Datenautobahn wächst durch Videos, Internet-TV und das Telefieren im Netz (VoIP) rasant - so sehr, dass es ohne Regulierung bald einen Mega-Stau geben könnte. Schon heute betreiben Telekom, Vodafone und andere daher ein Netzwerkmanagement, um die verfügbare Bandbreite sinnvoll zu nutzen.
Wer ist gegen Netzneutralität?
Vor allem die Netzbetreiber fordern eine Abkehr vom Prinzip in seiner Reinform. Ihr Argument: Wer die Leitungen besonders stark in Anspruch nimmt, soll auch mehr zahlen. Bei der Deutschen Telekom und dem spanischen Pendant Telefónica ist etwa zu hören, dass sie beispielsweise den Internet-Giganten Google gerne zur Kasse bitten würden. Darüber hinaus böten sich ihnen neue Geschäftsmodelle, etwa durch differenzierte Tarife: Nutzer, die große Datenmengen saugen, zahlen mehr als Gelegenheitssurfer.
Sind heutzutage alle Netze neutral?
Nein, gerade die Mobilfunknetze sind alles andere als offen. So blockieren etliche Anbieter den Dienst Skype oder verlangen dafür einen Zuschlag - die Software für Internet-Telefonie schadet dem eigenen Geschäftsmodell.
Drosselkom als Auslöser
Die Diskussion darüber hatte sich in Deutschland zuletzt an der Ankündigung der Deutschen Telekom entzündet, die Geschwindigkeit von Internetpauschaltarifen zu drosseln, wenn eine bestimmte Datenmenge verbraucht wurde. Dies könnte etwa Kunden betreffen, die sich aus dem Netz viele Filme herunterladen.
Es sei für die EU wesentlich, dass jeder Bürger Zugang zum gesamten und offenen Internet bekommen könne, wenn er es wünsche, sagte der Sprecher weiter. Sofern die Vertragsbedingungen transparent und klar dargestellt würden, sei es zwar primär eine Angelegenheit zwischen Unternehmen und Kunden, ob verschiedene Preise für spezifische Datenvolumen durchsetzbar seien. Komplexer sei aber die Frage, ob die Telekom oder andere Anbieter hierbei eigene Kunden begünstigen dürften. Die Kommission sei ganz entschieden gegen die Idee eines Internets für die Reichen auf der einen Seite und für die Armen auf der anderen Seite.