Wien. Wer vor etwa 15 Jahren mit der New Yorker Subway fuhr, sah überall Menschen hinter ihrer Zeitung, die ihr Papier auf Tablet-Größe zu falten schienen. Heute starren die Leser in ihre Smartphones oder Tablets und lesen dort Nachrichten. Die Kassandrarufer sind schnell bei der Hand: Print ist tot, die Zeitung vom Aussterben bedroht. Doch die Zahlen geben Anlass zu Optimismus.

Die Hälfte der "New York Times"-Leser konsumiert News über mobile Geräte. Die Zahl der Digitalabos stieg im zweiten Quartal 2014 auf 832.000. Zwar schrumpft die Printauflage wie bei allen US-Titeln, doch die Online-Nutzung nimmt deutlich zu. Was Print verliert, wird im Netz gewonnen. Wie das Pew Research Center in seinem jüngsten Bericht feststellt, ist die Verbreitung der 15 größten Tageszeitungen des Landes im letzten Jahr um drei Prozent gestiegen - obwohl Print nur noch 54,9 Prozent ausmacht. Die Mehrheit der Amerikaner - 82 Prozent - bezieht ihre Nachrichten über das Web.

Der Strukturwandel ist in vollem Gange. Der Online-Dienst BuzzFeed beschäftigt allein 170 Redakteure, etwa den Pulitzer-Preisträger Mark Schoofs. Während etablierte Blätter Korrespondentenbüros schließen, machen Online-Zeitungen neue auf. Das erst zwei Jahre alte Medien-Start-up Quartz beschäftigt Reporter in London, Bangkok und Hongkong. Die Redaktion beherrscht 19 Sprachen. Die Zeitung von morgen ist global und multilingual.

Kulturkritiker halten dagegen, nur auf Papier könne man Qualitätsjournalismus machen. Was im World Wide Web herumwabert, sei Müll, halb kopiert und zusammengeschrieben. Dabei gibt es im Netz durchaus anspruchsvolle Formate: Das crowdfinanzierte Magazin "Krautreporter" etwa, das Technikmagazin "The Verge" oder der Blog "Medium". Und auch die Behauptung, nur Katzenvideos oder Viral Content könnten sich im Web behaupten, stimmt so nicht. Eine bebilderte Story mit 6200 Wörtern auf Buzzfeed wurde etwa eine Million Mal angeklickt. So viel Umfang hat nicht mal eine Titelstory im "Spiegel". Die Leser schenkten dem Stück durchschnittlich 25 Minuten Aufmerksamkeit - das entspricht der durchschnittlichen Lesezeit einer Tageszeitung. Eine Hintergrundgeschichte im Technikmagazin "Wired" erzielte 1,2 Millionen Klicks, ein Viertel davon von Smartphones. Was zeigt: Auch die Langform ist auf mobilen Geräten praktikabel.

"Vor goldenem Zeitalter"