Wien. Das Computerspiel "The Dark Pictures: Man of Medan" hat sich von einem der großen Mysterien der Schifffahrtsgeschichte inspirieren lassen: dem Schicksal der "Ourang Medan". 1947 oder 1948 - die Jahresangaben sind je nach Quelle unterschiedlich - setzte das niederländische Dampfschiff einen SOS-Notruf ab und forderte einen Arzt an. Teile der Schiffbesatzung seien bereits tot, bei einer erneuten Kontaktaufnahme erklärte dann auch der Funker: "Ich sterbe."

Die "Ourang Medan" befand sich zu dieser Zeit bei der Straße von Malakka, einer Meerenge in Südostasien. Ein Schiff, das den Notruf empfangen hatte, fand das Boot vor sich hintreibend, die Besatzung wurde tot aufgefunden. Kurz danach soll es zu einer Explosion gekommen sein, die die "Ourang Medan" zum Sinken brachte. Laut einer Theorie haben giftige Materialien, welche das Schiff geschmuggelt haben soll, zum Tod der Besatzung geführt.

In "Man of Medan" fängt alles gemütlich an: Der Spieler übernimmt die Kontrolle über fünf junge Erwachsene, die zu einem Tauchausflug aufbrechen: vier Freunde und ihre Bootsführerin. Doch schon bald werden sie in ein Abenteuer gestoßen, auf das sie nicht vorbereitet sind, wobei hier nähere Details nicht erwähnt werden sollen. Jedenfalls treffen sie im Verlauf des Spiels auf ein amerikanisches Kriegsschiff, das seit Jahrzehnten im Meer herumtreibt. Die Besatzung ist tot.

Simpel und gelungen

Die Spielmechanik dessen, was salopp formuliert ein interaktiver Film ist, ist so simpel, wie sie gelungen ist. Durch unter Zeitdruck gewählte Dialog- und Handlungsaktionen kann man das Spiel in die gewünschte Richtung lenken: Soll die Figur bei einer Gefahr die Flucht ergreifen - oder sich ihr stellen? Sollen die Freunde zusammenhalten - oder sich lieber auf eigene Wege aufmachen? Die Entscheidungen haben gravierende Konsequenzen und können auch den Tod der Figuren mit sich bringen. Wird eine Situation vermasselt, gibt es kein Zurück. So kann es letztlich auch passieren, dass alle Charaktere bis zum Ende des Spiels ihr Ende finden.

Zusätzlich gibt es sogenannte Quick-Time-Events, bei denen es darum geht, bei Aufforderung den richtigen Knopf zu drücken. Doch die teilweise im Zehntelsekundenbereich liegende Zeit, die man dafür hat, lässt einen vor allem bei Dreierkombinationen (etwa: erst Kreis, dann Quadrat, dann Dreieck) schon einmal verzweifeln. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, Spannung und Aufmerksamkeit des Spielers zu steigern, der schon beim nächsten Kreischer wieder zusammenzuckt. Es macht das Ganze auch realistischer, denn wann klappt im Leben schon alles so, wie man es sich vorstellt? Dennoch wäre wahrscheinlich mancher Spieler für unterschiedliche Schwierigkeitsgrade dankbar.

Stetige Anspannung

"Man of Medan" spielt dabei virtuos auf der Klaviatur des Gruselns und Grausens. Beklemmendes Dunkel, aus dem jederzeit dämonische Fratzen springen können, vorbeihuschende Schatten, böse Geister, abrupt einsetzende, schrille Töne: All das sorgt für stetige Anspannung.

Auch die grafische Inszenierung lässt sich durchaus sehen: Sie ist sehr ansehnlich, wenn auch nicht ausgezeichnet. Wie bei mittlerweile vielen anderen Blockbuster-Spielen wurde auch bei "Man of Medan" auf die Motion-Capture-Technik zurückgegriffen: Dabei werden die Bewegungen von "echten" Schauspielern mittels Sensoren aufgezeichnet und nachher unmittelbar auf die Spielfiguren übertragen.

Ein interessanter Aspekt ist die Figur des Erzählers, der während des Spielverlaufs immer wieder auftaucht und bewertet, wie der Spieler sich schlägt. Droht das Ganze in einem Fiasko zu enden, steht er auch mit Tipps parat.

"Man of Medan" lässt sich innerhalb eines längeren Abends locker durchspielen, aufgrund der unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten hat es jedoch einen enormen Wiederspielwert. Dieser wird zusätzlich durch den Multiplayer-Modus erhöht: So kann das Spiel im "Coop"-Modus mit einem Freund zu zweit online gespielt werden oder auch im "Filmmodus". Bis zu fünf Spieler können hierbei teilnehmen, jeder sucht sich eine Figur aus: Derjenige, der am Zug ist, erhält dann jeweils den Spielecontroller.

Weitere Teile der "Dark Pictures"-Reihe sind angekündigt - noch 2020 soll "Little Hope" herauskommen. Darauf kann man sich schon freuen, denn der erste Teil "Man of Medan" ist gut gelungen. Noch dazu kostet das Ganze gerade einmal rund 30 Euro. Das beschert "The Dark Pictures: Man of Medan" von Supermassive Games und Bandai Namco ein hervorragendes Preis-Leistung-Verhältnis.

Das Testmuster wurde der "Wiener Zeitung" vom Hersteller zur Verfügung gestellt. "Man of Medan" ist am 30. August für PC, PS4 und Xbox One erschienen.