Die Videospiel-Branche dürfte als deutlicher Gewinner aus der Corona-Krise hervorgehen. In China führten die Ausgangssperren bereits im Jänner zu einem Spieleboom, mit Verspätung ist dieser Trend nun auch im Rest der Welt angekommen. Während zahlreiche Unternehmen mit drastischen Einbußen zu kämpfen haben, schießen die Kurse bei den Videospiel-Firmen in die Höhe. Gewinne gab es etwa bei den Spieleherstellern Activision Blizzard, Electronic Arts, Ubisoft und TakeTwo Interactive. Besonders auffallend sind die Zuwächse beim japanischen Konzern Nintendo. Am 16. März datierte die Aktie noch bei 272,6 Euro. Nun, einen Monat später, liegt sie bei 396,2 Euro.
Konsolen vergriffen
Nintendo stellt unter anderem die Spielekonsole Switch her. Die Konsole war bereits vor der Corona-Krise begehrt, die Nachfrage ist nun aber noch einmal deutlich gestiegen - insbesondere, weil die Konsole auf familienfreundliche Spiele setzt. Gewisse Versionen der Switch sind mittlerweile aufgrund von Lieferschwierigkeiten vergriffen und werden auf Gebrauchtplattform zu deutlich höheren Preisen weiterverkauft.
Der Grund für den Gaming-Boom ist klar: Aufgrund der weltweiten Ausgangsbeschränkungen verbringen die Menschen mehr Zeit mit Smartphone, Fernsehen, Streaming und Videospielen. Das zeigte kürzlich beispielsweise eine Umfrage der deutschen "Havas Media Group", bei der 500 Menschen zwischen 14 und 69 Jahren zu ihrem Medienkonsum befragt wurden. 53 Prozent aller regelmäßigen Gamer gaben dabei an, ihren Videospielkonsum spürbar erhöht zu haben. Als Plattformen dienen vor allem Smartphones und der Computer.
Die Videospielplattform Steam verzeichnete in den vergangenen Wochen mehrmals neue Spitzenwerte: Anfang April waren 24,5 Millionen Benutzer gleichzeitig online. 8,2 Millionen davon befanden sich aktiv in einem Spiel. Auch die Gaming-Plattform Twitch, auf der man anderen Spielern, darunter professionellen E-Sportlern, beim Zocken zusieht, berichtet von deutlichen Zuwächsen. Das Unternehmen, das dem US-Konzern Amazon gehört, berichtet, dass es im März bei den Zuschauerzahlen einen Anstieg um 23 Prozent verzeichnete.
Das beliebteste Spiel auf den Gaming-Plattformen ist derzeit "Counter Strike: Global Offensive", der Platzhirsch unter den Taktik-Shootern. Zu Spitzenzeiten wird der Titel von 1,1 Millionen Nutzern gleichzeitig gespielt.
Werden Rekordzahlen halten?
Fraglich ist, ob diese Rekordzahlen in den nächsten Monaten halten werden. Die Ausgangsbeschränkungen werden in immer mehr Ländern zurückgenommen, das wärmere Wetter drängt die Menschen nach draußen. Zudem mangelt es im Sommer üblicherweise an neuen Spiele-Blockbustern. Die meisten Hersteller veröffentlichen ihre massentauglichen Titel erst wieder im Herbst.
Derzeit gibt es diese für den Markt so wichtigen Blockbuster-Titel aber noch, darunter das im März erschienene "Animal Crossing: New Horizons" für die Nintendo Switch. Es ist derzeit das auf Twitter meistdiskutierte Spiel.
Angeheizt wird das Interesse an dem Titel auch durch eine politische Debatte. Die chinesischen Behörden haben den Familienhit nämlich unlängst verboten. Hintergrund ist die Möglichkeit, in dem Spiel seine Meinung zu äußern. Grundsätzlich geht es darum, sich in "Animal Crossing" ein neues Zuhause nach Wahl auf einer virtuellen Insel einzurichten. Es gibt kein explizites Ziel, sondern ein offenes Ende: Der Spieler kann sich quasi eine zweite virtuelle Existenz aufbauen.
Aktivisten nutzen Spiel
Die freie Gestaltung dieses elektronischen Alter Ego haben die Aktivisten der Hongkonger Demokratiebewegung für sich entdeckt. Sie nützen "Animal Crossing", um ihre politische Meinung zu äußern. Politische Slogans wie "Befreit Hongkong" werden im Spiel auf Gegenstände und Kunstwerke gedruckt, auf Plakaten wird das Pekinger Regime kritisiert. In den sozialen Medien werden Bilder davon dann öffentlich geteilt.
"Die Covid-19-Pandemie hat die öffentlichen Proteste vorerst gestoppt. Jetzt tragen die Demonstranten ihr Anliegen in ,Animal Crossing‘ vor", schrieb dazu vor kurzem ein Hongkonger auf Twitter. Die Gegenreaktion seitens der Führung in Peking folgte freilich prompt: Mittlerweile ist das Spiel bei chinesischen Online-Geschäften nicht mehr erhältlich.(dab/aum)